Herr Professor Schellhaaß, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten gerät immer weiter unter Druck. Nach dem Bekanntwerden, dass die KEF den Öffentlich-Rechtlichen die Mittel für DAB streichen will, hagelt es schwere Vorwürfe aus Politik und Medienindustrie. Wie berechtigt ist diese Kritik?
Schellhaaß: Nach dem achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag soll die KEF ermitteln, ob der angemeldete Finanzbedarf „zutreffend und im Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ berechnet worden ist. Insofern ist die KEF verpflichtet, Einsparpotentiale einzufordern. Allerdings hat sie einen eingeschränkten Prüfauftrag, weil auch die KEF keinen Einfluss auf die Programmentscheidungen nehmen darf. Die Wahl der Verbreitungstechnologie fällt nicht unter die Programmentscheidungen, so dass sich die Wirtschaftlichkeitsüberlegungen der KEF durchaus auf die betriebswirtschaftliche Vorteilhaftigkeit des DAB-Standards beziehen dürfen.
Einer der Vorwürfe lautet, die KEF betreibe mit dieser Entscheidung indirekt Technologiepolitik. Ist das der Auftrag der KEF?
Aufgabe der KEF ist die Prüfung der Wirtschaftlichkeit des operativen Geschäfts der Rundfunkanstalten, dazu gehören auch die Übertragungswege. Die Einführung neuer Technologien muss daher dem Private Investor Test standhalten. Vor dem Hintergrund zusätzlicher Übertragungskosten mit einer voraussichtlich geringen Reichweite liegt die Mittelkürzung für den DAB-Standard im Kompetenzbereich der KEF. Faktisch führt diese Entscheidung allerdings zu einer Blockade digitaler Technologien, da der Umstieg von analog auf digital in konzertierter Weise, das heißt auf einen Schlag erfolgen muss. Dies ist eine Aufgabe der Medienpolitik und nicht der KEF. Hier sind also die Ministerpräsidenten gefordert.
Wie beurteilen Sie die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsfindung innerhalb der KEF? Immerhin geht es um Milliardenbeträge.
Durch die öffentlichen Kommissionsberichte ist der Prüfvorgang grundsätzlich nachvollziehbar. Für den Bereich ihres eingeschränkten Prüfauftrages kann man der KEF eine hohe Kompetenz bescheinigen. Die in der Öffentlichkeit geäußerte Kritik bezieht sich auf Punkte, die gerade nicht von der KEF entschieden werden dürfen, zum Beispiel auf den zulässigen Umfang der Online- Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.
Tragen Auftrag und Zusammensetzung der KEF der rasanten Technologieentwicklung im Zeitalter der Digitalisierung noch in ausreichendem Maß Rechnung? Kurzum: Ist die KEF als Institution noch zeitgemäß?
Das jüngste Gebührenurteil des Bundesverfassungsgerichtes macht deutlich, dass die KEF als Garant für die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angesehen wird. Im Hinblick auf den eingeschränkten Prüfauftrag ist die Zusammensetzung der KEF nach wie vor zeitgemäß. Für die medienpolitischen Weichenstellungen im Hinblick auf neue Übertragungstechnologien ist nicht die KEF, sondern die Politik der Ansprechpartner.
Welche Perspektive sehen Sie nach der KEF-Entscheidung für den Fortbestand des Radios als eigenständiges Medium in Deutschland?
Bislang ist es den Rundfunkanstalten nicht gelungen, nennenswerte Reichweiten im digitalen Hörfunk zu realisieren. Der von den öffentlich-rechtlichen Sendern gewählte DAB-Standard gilt bereits als technisch veraltet. Durch den gegenwärtigen Stillstand wird der Fortbestand des Radios in Deutschland nicht bedroht, allerdings sollten sich die Sender jetzt intensiver damit beschäftigen, die Einführung eines digitalen Standards durch die Bereitstellung attraktiver Hörfunkangebote zu erleichtern. Konsumenten investieren erst in neue Geräte, wenn sie durch ein überlegenes Programmangebot von den Vorteilen überzeugt werden.