In der 37. Spielminute fällt endlich das erste Tor – fünfzigtausend Fans im Stadion springen von ihren Plätzen und jubeln „Goooaal“. Das „Goal“ der Massen kommt beim Fernsehzuschauer als lautes Klirren an. Mit der analogen Mikrofonierung, wie sie immer noch bei vielen Fernsehproduktionen vorherrscht, hat selbst der beste Toningenieur keine Chance, einen klaren Klang zu produzieren.
Im Gegensatz dazu haben sich die Ansprüche an das Hören mit Einführung des hochauflösenden Fernsehens – HDTV – stark gewandelt. Mit der WM 2010 in Südafrika wird erstmals eine Fußball-Weltmeisterschaft von ARD und ZDF in HDTV übertragen. Damit ist sie für Fernsehanstalten und Mikrofon-Hersteller ein wichtiges Testfeld für einen räumlichen und klaren Klang.
„Bislang war es so, dass der Ball irgendwo in der Mitte des Fernsehgerätes hörbar war. Das war bei den herkömmlichen, fast quadratischen Bildschirmformaten auch kein Problem. Inzwischen sitzen viele Zuschauer vor ihren breiten HD-Fernsehern, sehen das brillant scharfe Bild. Wenn der Ball links an den Pfosten knallt, will der Zuschauer diesen Ball auch links hören“, erklärt Wolfgang Fraissinet die sich verändernden Hör-Erwartungen. Fraissinet ist Experte des guten Tons. Er ist Geschäftsführer des Mikrofon-Herstellers Georg Neumann und weiß als Musikproduzent internationaler Konzerthäuser um die Tücken von großen Audioereignissen.
Wie andere Mikrofon-Hersteller auch hat Neumann seine digitalen Mikrofone nach Südafrika geliefert. Sie kommen während der Fußball-WM in einzelnen Stadien zum Einsatz. Fraissinet erklärt, dass aus den meisten Stadien noch kein digitaler Mehrkanalton gesendet werden kann.
„In den Stadien wird zu dieser WM der Ton überwiegend analog übertragen, weil die meisten Sendeanstalten diese Mikrofone noch benutzen. Aber es wird in Südafrika erste Schritte in Richtung digitaler Audiotechnik geben.“
Im Vorfeld der WM wurde Fraissinet als Experte von der South African Broadcasting Corporation, der öffentlichen Rundfunkanstalt Südafrikas zu Vorträgen geladen. Und er referierte vor Toningenieuren an der Universität von Pretoria. Er erklärte ihnen, wie ein Stadion mikrofoniert werden muss, damit unter anderem ein möglichst authentischer Mehrkanalton entsteht. Die Herausforderung ist, in Stereoqualität die Sound-Atmosphäre des Stadions zu vermitteln und dabei auch jedes Ballgeräusch hörbar zu machen. Dazu sind insgesamt rund 30 Tonquellen innerhalb eines Stadions notwendig.
In jede Ecke des Tores muss ein Paar Kleinmikrofone installiert werden, die trotz des Jubels im Stadion die Ballgeräusche aufnehmen. Um eine räumliche Tonwiedergabe zu erhalten, die dem Bildeindruck möglichst nahe kommt, werden weitere sechs bis acht Mikrofon-Paare und zehn Kamera-Mikrofone notwendig.
Welcher Ton zum hochauflösenden Fernsehbild produziert werden muss, ist in den technischen Richtlinien von ARD, ZDF und des ORF zur Herstellung von Fernsehproduktionen in HDTV vorgeschrieben. Mindestens müssen Beiträge in Stereo, vorzugsweise aber in einem Mehrkanalton (Dolby E oder 5.1) produziert werden, heißt es dort. „Für unsere Firma ist diese Fußball-WM ein wichtiger Test, aber noch lange kein Geschäft“, schätzt Wolfgang Fraissinet ein. Mit diesen Spielen soll aber das Prinzip klargemacht werden, was digitale Mikrofontechnik kann. Für den HD-Zuschauer wird es dann nur noch eine Frage der Zeit sein, bis er die Tore dort hört, wo er sie auch sieht.