Herr Kusche, seit 2007 arbeitet das BMVI an einem nationalen Maßnahmenkatalog zum Thema Intelligente Verkehrssysteme, der im August der EU vorgelegt werden soll. Wie ist derzeit der Stand der Dinge?
Thomas Kusche: Der Aktionsplan ist ein nationaler Aktionsplan, mit dem die europäische Richtlinie auf deutscher Ebene umgesetzt wird. Das BMVI meldet seine Maßnahmen bis zum 20. August an Brüssel. Und danach wird die Umsetzung in Deutschland erfolgen. Zug um Zug. Die beiden Maßnahmen, die sich mit Stauende und Digitalradio beschäftigen, sind von den zuständigen Gremien verabschiedet worden, jetzt dreht der Maßnahmensteckbrief noch eine letzte Schleife durch den Nationalen IVS-Beirat.
Wann kommen die von Ihnen entwickelten Richtlinien dann tatsächlich in die Infotainmentsysteme der Autos?
Telematik kann die Verkehrssicherheitsehr positiv beeinflussen. Mit dem Aktionsplan beschreibt die Bundesregierung, welche Maßnahmen sie für besonders geeignet hält. Da auf diesem Weg Planungssicherheit vermittelt wird, dürften Endgeräte hier nicht lange auf sich warten lassen. Mit dem Garmin nüvi 3598 ist ja schon eines auf dem Markt, das alle technischen Features aufweist. Ohnehin dürfte hier der Aftermarket - wie seinerzeit bei TMC - die treibende Kraft sein.
Wer hat an dem Aktionsplan mitgewirkt?
In Deutschland beschäftigen sich viele Gremien mit dem Thema. In diesem speziellen Fall waren eingebunden eine Arbeitsgruppe "Sicherheits relevante Verkehrsinformation", die AG TMC-VID, der Nationale IVS-Beirat und in Teilbereichen die Digitalradioplattform.
Sie sprechen in dem Aktionsplan von „Intelligenten Verkehrssystemen“. Sind diese Systeme, wenn sie über DAB+ ausgestrahlt werden „intelligenter“ und warum?
Intelligente Verkehrssysteme (IVS, international als Intelligent Transport Systems, ITS, bezeichnet) steht als Oberbegriff für Telematikstrukturen, die den Anforderungen künftiger Mobilitätsprobleme gerecht werden. Im speziellen Fall sind Dienste und Geräte nicht intelligenter, aber viel genauer!
Warum gehören moderne Stauende-Informationssysteme heute in jedes Auto?
Am Stauende ereigneten sich 2013 einer WDR-Recherche zufolge Unfälle mit insgesamt 80 Toten und 400 Schwerverletzten. Zum Vergleich: Durch Geisterfahrten kamen ca. 20 Menschen ums Leben. Diese Unfallsituation tritt täglich zigfach auf, niemand kann ihr entgehen. Durch gezielte Information kann man - einer Untersuchung im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen folgend - die Unfallgefahr am Stauende aber drastisch reduzieren.
Was kann das Stauende-Warnsystem konkret, wie wird es dargestellt und über welche Ausspielwege kommt es zum Autofahrer?
Diensteanbieter sind heute auf Basis von Flußinformationen in der Lage ein Stauende sehr präzise zu erkennen. Das charakteristische Merkmal eines Staus ist immer, dass viele Fahrzeuge beteiligt sind - und dann erfahrungsgemäß viele Menschen zum Mobiltelefon greifen. In dieser Situation nimmt die Performanz des Mobilfunknetzes dramatisch ab - bis hin zum lokalen Totalausfall. Dann bekommen Autofahrer mit Web basierten Services keine Information mehr ins Fahrzeug. Das ist beim Rundfunk anders, da erreicht man alle Beteiligten gleichermaßen.
Profitieren sollen nicht nur die Autofahrer, sondern auch Umweltaspekte und ein schonender Umgang mit Infrastrukturen spielen ein Rolle. Wie kann man sich das ganz konkret vorstellen?
Staus sind oft wie Krebsgeschwüre: Kaum sind sie da, wachsen sie unaufhörlich - und entwickeln oft Metastasen im nahegelegenen Straßennetz. Unfälle, zumal schwere Unfälle an Stauenden, sorgen nur für schnellere Wucherungen. Wenn ich das durch präzise und schnelle Informationen verhindern kann, wird die Überlastung der Infrastruktur zumindest eher unwahrscheinlicher. Das ist gut für die Umwelt!