Hybride Radioangebote werden künftig bundesweit verbreitet und damit in der Lage sein, Radio als nationalen Werbeträger zu etablieren. Davon ist Klaus Gräff, Geschäftsführer der Medienberatung RBC, überzeugt. Unter Hybrid Radio versteht er die technische Verknüpfung von terrestrisch verbreiteten Programmen – also UKW- oder DAB-Radio – mit per Internet verbreitetem Hörfunk. Mit diesem Mix der Verbreitungswege sieht der Medienberater gute Chancen für Radioveranstalter, neue Werbeformen und damit zusätzliche Erlösmodelle zu entwickeln.
„Durch die hybride Radioverbreitung können spezielle Nutzergruppen geografisch und demografisch zielgenau erreicht werden“, hebt Klaus Gräff hervor. Bisher sei beim analogen UKW-Radio lediglich die Adressierbarkeit der Nutzer über einen Rückkanal – beispielsweise Telefon oder Mail per Hörerdatenbank – gegeben. „Der Teil von Hybrid Radio, der digital verbreitet wird, ermöglicht nun eine Adressierbarkeit von einzelnen Geräten oder – nach einem Registrierungsprozess – auch von einzelnen Nutzern“, erklärt der Medienberater.
Nach seiner Einschätzung begünstigt Hybrid Radio auch die Entwicklung neuer Audio-Werbeformate. So sei ein sogenannter PreRoll-Spot möglich, der direkt nach dem Einschaltvorgang ausgespielt werde. „Zusätzlich werden weitere neue Formate, ähnlich wie beispielsweise das Fußball-Radio 90elf.de oder der Technosender „Technobase. FM“ entstehen, die das Radioangebot für Hörer, Werbungtreibende und Agenturen verbessern“, erwartet Gräff.
Dass viele Radiosender den Schritt zum hybriden Medium bereits vollzogen haben, meint Kristian Kropp, Geschäftsführer Rheinland-Pfälzischer-Rundfunk. „Wir erkennen immer deutlicher, dass UKW-Radio in seiner Funktion als Navigator in der digitalisierten Welt eine Schlüsselstellung einnimmt und durch die crossmediale Vernetzung mit dem Internet den Nachweis erhält, auch als direktes Dialogmedium zu funktionieren.“ Als Beispiel führt Kropp die Programmformate „bigNEXT“ und „bigMUSIC Revolution“ an. Durch eine direkte Feedback-Schleife sei dort die Einflussnahme der Hörer auf das Programm bereits möglich und verwirklicht.
Die hybride Verbreitung hält der Geschäftsführer auch deswegen für unverzichtbar, weil Programmveranstalter nur so ihre Medienmarke cross- und multimedial positionieren könnten. „Aus verschiedenen Studien wissen wir, dass ‚Online’ und ‚Mobile’ mittlerweile gelernte Rückkanäle für das Medium Radio sind. Im Rahmen der regionalen Eigenvermarktung ergeben sich somit im Bereich Geo-Targeting erhebliche Reichweiten-Steigerungen, die einen massiven Werbedruck – vor allem im Zusammenspiel mit Radiowerbung – generieren und genauestens evaluierbar sind“, erklärt Kropp die Strategie seiner Sendergruppe.
Außerdem kann Hybrid Radio den Programmveranstaltern auch noch helfen, ihre Übertragungskosten zu senken. Zu diesem Ergebnis kommt ein Pilotprojekt der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) zur hybriden Radionutzung. Im Rahmen der diesjährigen Medientage München zeigte die BLM den Prototyp eines Hybridradios, das automatisch den jeweils besten verfügbaren Verbreitungsweg aus UKW, DAB oder Internet-Stream auswählt. Da der teure Internet-Stream nur gewählt wird, wenn UKW nicht verfügbar ist, lassen sich die Kosten für die Programmdistribution erheblich reduzieren.
Michael Kerscher, Technischer Leiter von Antenne Bayern, will auf diese Weise bis zu 17 Prozent der Streaming-Kosten seiner Sendergruppe einsparen. „2006 hatten wir einen durchschnittlichen Streaming-Traffic von 10 TeraByte pro Monat, 2010 sind es 400 Terabyte pro Monat – also die vierzigfache Menge. Selbst sinkende Traffic-Preise in den letzten vier Jahren konnten massiv steigende Kosten nicht verhindern“, erklärt er sein Interesse an Hybrid Radio.
Andererseits sieht auch Kerscher die Möglichkeit, Hörern und Werbekunden mehr Service und neue Geschäftsmodelle anzubieten: „Wir streben mittels Hybrid Radio die Entwicklung von Diensten an, bei denen das Bild verlässlich zeitgleich mit dem Audio ausgestrahlt wird.“ Wichtig sei diese Synchronisierung vor allem, wenn eine Nachrichtenmeldung durch eine Grafik erläutert werden soll, oder bei Werbebotschaften. „Sonst könnte es passieren, dass das Bild von Werbekunde A parallel zum Spot des Werbekunden B auf dem Endgerät erscheint“, begründet Kerscher.