Nach dem aktuellen Online-Audio-Monitor wird Radio immer öfter online über das Smartphone (unterwegs) gehört. Vor welche Herausforderungen stellt das die vornehmlich regional aufgestellte Radio-Branche in Deutschland?
Es ist richtig – fast drei Viertel (73 Prozent) hören Online Audio über das Smartphone. Allerdings muss man auch fragen: WAS hören die Menschen auf dem Smartphone? Das sind zum Großteil nicht Inhalte des klassischen Lokalradios, sondern vor allem Musik- bzw. Audioinhalte über You Tube und Musikstreaming-Dienste.
Noch etwas möchte ich festhalten: Auch wenn die Zahlen für Online-Audio von Jahr zu Jahr besser werden – der größere Teil der Audio-Nutzung findet nach wie vor NICHT über das Internet statt. 76,5 % der Bevölkerung ab 14 Jahren schalten im Bundesschnitt laut ma 2019 Audio II an einem Wochentag von Montag bis Freitag das Radio ein.
Aus meiner Sicht hat Online-Audio – allem voran der Smart Speaker und Podcast-Boom – vor allem zu einer Renaissance von Audio geführt. Und das ist erstmal gut für die Radio-Branche.
Lokalradio lebt – trotz oder gerade wegen der zunehmenden Digitalisierung. Für die Macher heißt das: Der Mut zur lokalen Marke, der direkte Draht zu den Menschen vor Ort ist das Pfund, mit dem es in der globalen Medienwelt zu wuchern gilt.
Klar ist gleichzeitig: Vor allem Sender, die Audio-Trends erkennen und sich gut aufstellen, werden profitieren. Über das klassische lineare Tagesgeschäft hinaus müssen sie mit ihren Webchannels Special Interests bedienen, Smart Speaker für ihre Reichweite nutzen und Podcasts produzieren.
Auch lokales Radio muss auf allen verfügbaren digitalen Kanälen und Plattformen vertreten sein, um weiter alle potenziellen Hörer zu erreichen.
Was die Entwicklung von Apps, Streaming- und Podcast-Technologie, Website-Lösungen, Social-Media-Strategien und Data-Management betrifft, ist Kooperation der lokalen Anbieter untereinander gefragt – ein lokaler Sender allein kann diese Herausforderungen weder finanziell noch personell stemmen.
Online wird Audio vor allem am frühen Abend genutzt. Wie erklären Sie sich den Unterschied zum klassischen Radio mit seiner Prime Time am Morgen?
Online-Audioinhalte begleiten uns in einer vergleichsweise flachen Verlaufskurve durch den Tag – mit einer kleinen Nutzungsspitze am frühen Abend. Getrieben wird das durch die Abruf-Nutzung vor allem von Musikstreaming-Diensten, die zu dieser Zeit die meisten Nutzer haben. Webradio dagegen hat – wie Radio über UKW oder DAB+ auch – seine Primetime am Morgen.
Vor allem für jüngere Zielgruppen spielen Streamingdienste eine immer größere Rolle. Welche mittel- und langfristige Zukunft hat das lineare Radio angesichts dessen?
Das lineare Radio hat Zukunft – wenn es nicht allein auf den „besten Musikmix“ setzt. Radio muss vielmehr die vielen Vorzüge, die es unverwechselbar machen und für die es die Menschen so mögen, in der digitalen Welt ausspielen: Es muss spontan sein, emotional sein, auf unverwechselbare Personalities setzen, lokal sein, Information und Musik bieten.
Eine starke Zunahme verzeichnet auch die Nutzung auf Smart Speakern. Was bedeutet das für die Branche?
Durch Sprachsteuerung kehrt das Radio mit vielen Zusatz-Optionen ins Wohnzimmer zurück. Während die klassischen Radiogeräte – abgesehen vom Autoradio – bisher meist in der Küche, im Bad oder im Schlafzimmer stehen, finden sich Smart Speaker vor allem im Wohnzimmer. Dazu kommt: Das Abspielen von Audio-Inhalten ist mit großem Abstand die am meisten genutzte Funktion dieser Geräte.
Es ist eine wichtige Aufgabe der Medienpolitik, auch bei Smart Speakern die berechtigten Interessen der Rundfunkanbieter zu berücksichtigen und die chancengleiche Auffindbarkeit aller Inhalteanbieter zu berücksichtigen. Deshalb ist es notwendig, dass diese mit ihrer Bedeutung für Audio ebenfalls unter die Vorgaben der Plattform-Regulierung fallen.