Ein Gutachten im Auftrag des DOSB kommt zu dem Ergebnis, dass E-Sport kein Sport ist, u.a. da es an der Körperlichkeit fehle. Wie bewerten Sie das?
Das angesprochene Gutachten umfasst über 115 Seiten, auf denen unterschiedliche Aspekte, überwiegend juristisch bewertet werden. Ich selbst bin kein Jurist, sondern betrachte die Diskussion aus einer eher kommunikations- und medienwissenschaftlichen Perspektive. Gegen das Argument der „Körperlichkeit“ werden häufig auch Vergleiche zu Schach oder Darts gezogen, also anerkannte Sportarten, die sich jetzt nicht gerade durch Körperlichkeit auszeichnen, sondern durch andere Fähigkeiten, wie strategisches Denken oder Konzentration etc.
Dem Gutachten zufolge lässt sich die vom DOSB festgelegte Unterscheidung zwischen Sportsimulationen und eGaming nicht aufrechterhalten. Was bedeutet das für die Zukunft?
Aus meiner Sicht ist es zunächst naheliegend, dass ein DOSB dem Genre der virtuellen Sportsimulationen sehr viel näher ist, als First-Player-Shooting-Games (FPS) oder Realtime Strategy-Games (RTS). Schließlich sieht eine Fußball- oder Eishockey-Simulation auf dem Bildschirm doch eher so aus, wie wir uns Sport im klassischen Sinne, zumindest als Medienkonsument, vorstellen. Der eSport-Bund (ESBD) muss natürlich eine andere Strategie verfolgen und kann einer Unterscheidung in diesem Punkt nicht zustimmen. Hier den Gleichheitsgrundsatz aber gefährdet zu sehen, halte ich aber schon für etwas übertrieben. League of Legends ist ja nun schon was grundsätzlich anderes als FIFA. Die generelle Definition von eSports ist an vielen Stellen zu ungenau. Ich denke, dass sich hier zukünftig die Beteiligten gemeinsam auf eine differenziertere Interpretation und Definition einigen müssen.
Nun liegt das Rechtsgutachten vor – wie geht es aus Ihrer Sicht in dem Streit um die Einstufung von E-Sport als Sport weiter?
Es geht im Grunde ja um die Anerkennung von Gemeinnützigkeit und auch um die damit zusammenhängenden Fördermöglichkeiten des eSports. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Kultur des eSports, oder des eGaming völlig unabhängig von einer Anerkennung als Sportart durch den DOSB weiterentwickeln wird. Mit über 380 Mio. Zuschauer weltweit, eigenen Streaming Kanälen und Stadion-Events, sowie einem Umsatz von knapp 1 Milliarde US$ ist doch am Ende die Anerkennung als „Sport“ das kleinste Problem. Es geht um ein riesiges Marketingpotenzial, an dem Spielehersteller, GameHubs, Werbevermarkter und natürlich auch Top-Spieler vor allem auch pekuniäre Interessen haben.
Unabhängig des Millionengeschäfts eSport wäre es doch aber gerade für den Breitensport nachdenkenswert, wie man durch hybride Angebote junge Menschen verstärkt für Vereinsaktivitäten interessieren kann. Nehmen wir mal als Beispiel kleinere Sportvereine, die eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe erfüllen. Es geht hier tatsächlich um das soziale gemeinsame Erleben von Siegen und Niederlagen, um gruppendynamische Prozesse und letztlich auch um die Bewegung und das Trainieren von besonderen Fähigkeiten. Konkret kann man sich vorstellen, dass zukünftig bei 13-oder 15-Jährigen ein Fußball-Team aus der normalen Fußballmannschaft und eSportlern besteht? Alle treffen sich zum gemeinsamen Training und absolvieren auch die erste Einheit zusammen, z.B. gemeinsames Aufwärmtraining. Im zweiten Teil trainiert jeder seine Disziplin und am Wochenende gibt es einen hybriden Wettkampf zwischen zwei Mannschaften. Also ein reguläres Fußball-Spiel und ein Fifa-Match. Die Ergebnisse werden miteinander verrechnet und in eine gemeinsame Tabelle überführt. Darin könnten Vereine neue Zielgruppen ansprechen und sogar einen Beitrag zur Inklusion leisten, denn jemand der im Rollstuhl sitzt, kann auch virtuellen Fußball spielen.
Im Regionalen bieten virtuelle Sportspiele viele Chancen, da liegt es an den Verantwortlichen, mutige und zukunftsweisende Projekte anzustoßen.
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist die Förderung von E-Sport enthalten – wofür braucht es die Anerkennung als Sport für den E-Sport überhaupt?
Natürlich ist dies auch ein Thema für die Politik. Aus meiner Sicht geht es da aber im Kern eher um das Thema Medienkompetenz und die Entwicklung zu einer digitalen Gesellschaft, in der andere Fähigkeiten zukünftig wichtig werden. Insofern ist eine öffentliche Diskussion generell um das Thema Gaming generell eine sehr wichtige Aufgabe.