Telemedizinische Angebote und sogenannte digitale Helfer sollen verstärkt in der Pflege eingesetzt werden. Wo liegen die wichtigsten Vorteile digitaler Tools in der Pflege?
Aus Sicht der Betriebskrankenkassen ist es dringend notwendig, auch in der Pflege die Digitalisierung gezielt und zugeschnitten auf die Bedarfe der pflegebedürftigen Menschen und der Pflegenden voranzutreiben. Konkret können so im Rahmen der Information und Aufklärung durch die Pflegekassen Informationen schnell und unkompliziert verfügbar gemacht werden und ggf. durch Informationen der Krankenkassen zielgerichtet ergänzt werden. Auch die originäre Pflegeberatung der Pflegekassen als klassische Face-to-Face-Kommunikation kann durch digitale und telemediale Anwendungen sinnvoll ergänzt werden.
Im Bereich der DiPAs glauben wir, dass insbesondere Anwendungen mit hohem pflegespezifischem Nutzen notwendig sind. Diese müssen in der Lage sein, die eigenen Ressourcen des Pflegebedürftigen anzuregen, etwaige Defizite zu kompensieren und diese situativ auszutarieren im Sinne des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, welche die Selbständigkeit der Pflegbedürftigen.in den Mittelpunkt stellt. So können DiPAs pflegebedürftige Menschen wirklich dabei unterstützen, im Sinne der Sicherung und Förderung der sozialen Teilhabe bestimmte Herausforderungen im Alltag, selbstbestimmter zu bewältigen und die eigenen Ressourcen zu erhalten und zu stärken.
Vor dem Hintergrund der notwendigen hochspezifischen pflegewissenschaftlichen Expertise, die für eine Wirksamkeit von DiPAs – insbesondere im Vergleich zu konventionellen pflegerischen Interventionen – notwendig ist, dürfte der Weg der Zulassung allein durch das BfArM nicht angemessen und zielführend für eine effektive Etablierung von DiPAs sein. So wäre - um die gebündelte praktische Expertise der Pflegekassen bei der Zulassung einzubeziehen - zumindest das Einvernehmen mit dem GKV-SV im angedachten Zulassungsverfahren notwendig.
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Die Verarbeitung der Gesundheitsdaten soll effizienter und dabei sicher erfolgen. Wie bewerten Sie die geplanten Regeln diesbezüglich?
Die Betriebskrankenkassen begrüßen den Gesetzentwurf für das „Digitale Versorgung und Pflege - Modernisierungs-Gesetz – DVPMG“. Dieser setzt die Zielrichtung der bereits zuvor verabschiedeten Gesetze, insbesondere des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) und des Patientendaten-Schutz-Gesetzes (PDSG), konsequent fort.
Es werden viele zuvor geschaffene digitale Anwendungen, die Teil der “sicheren Datenautobahn des Gesundheitswesens”, d.h. der Telematikinfrastruktur (TI) sind, miteinander vernetzt. Dies steigert deren Mehrwert für die Versicherten und die Ärzte. So werden, um nur einige Beispiele zu nennen, die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) an die elektronische Patientenakte (ePA) angebunden, werden je ein Videokommunikations- und Messagingdienst für Ärzte geschaffen und es wird eine Digitale Versichertenidentität geplant, die zur Identifizierung der Versicherten für die Dienste der Telematikinfrastruktur dienen wird. Dies ist z.B. eine notwendige Voraussetzung, damit Ärzte künftig aus Videosprechstunden heraus sicher elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sowie elektronische Rezepte ausstellen können.
Zahlreiche weitere Änderungen betreffen Services außerhalb der TI. So werden Zulassungsbedingungen für die DiGa angepasst, u.a. um Datenschutz- und Informationssicherheit zu stärken. Die Funktionalität des Nationalen Gesundheitsportals wird erweitert, so dass diese künftigen Informationen zum Leistungsangebot der Vertragsärzte bündelt und die Versicherten werden künftig durch die Terminservicestellen beim Auffinden von telemedizinischen Angeboten unterstützt.
Insgesamt ist die Anzahl der Änderungen und neuen Regelungen sehr groß. Diese sind darüber hinaus mitunter eher technokratisch und (vielleicht mit Ausnahme der Einführung der DiPa) eher inkrementell. Jedoch ist der Gesetzesentwurf in der Gesamtschau sinnvoll und notwendig um das Gesundheitswesen weiter zu digitalisieren.
Digitale Tools können langfristig Geld sparen, verursachen aber häufig zunächst Kosten für die Implementierung. Wie lassen sich diese finanzieren?
DiGas werden nach Aufnahme ins Verzeichnis (33a) bereits durch die Krankenkassen finanziert. DiPas werden zeitnah folgen und erstattungsfähig sein. Auch andere Anwendungen können ggf. als Satzungsleistungen genehmigt und erstattet werden.
Bislang ist unklar, ob DiGas überhaupt zu Einsparungen führen werden oder ob diese Leistungen zusätzlich zu finanzieren sind. Ersteres ist denkbar, aber eine verpflichtende Evaluation zu der Frage, in wieweit durch DiGas andere Leistungen einsparen, ist nicht vorgesehen.
Die Finanzierung der Digitalen Tools sollte stärker am Nutzen orientiert werden. Nicht alle “digitalen Tools” sollten finanziert werden, sondern nur nachweisbar wirksame DiGas. Die Kosten der Implementierung für den Hersteller sind nicht quantifizierbar, da es keine Transparenz zu den Angaben der Hersteller im Antrags- und Zulassungsverfahren für die Implementierung der DiGA gibt. Die GKV kann die Hürden nicht beurteilen, sondern lediglich darauf verweisen, dass es ein festgelegtes Verfahren gibt. Im Vergleich zu anderen Leistungen, die den Prozess im Rahmen des GBA-Verfahrens durchlaufen, um in den Leistungskatalog der GKV einzufließen, sind diese in Relation aber wohl gering.
Die vorgesehene Flexibilisierung der Erprobungszeiten im Rahmen der DiGA-Erprobung wird hingegen von den Betriebskrankenkassen abgelehnt. Die geplante Regelung würde dazu führen, dass eine in medizinischer Hinsicht nicht geprüfte Anwendung bis zu 24 Monate Teil der Regelversorgung wäre. Hierbei sehen die Betriebskrankenkassen Patientensicherheit und –wohl gefährdet. Zusätzlich werden durch eine ex ante verlängerte Erprobung Kostenrisiken für Krankenkassen forciert. Auch daher sollte von der vorgesehenen Regelung Abstand genommen werden. Gleichzeitig sollten die Hersteller eine entsprechende Insolvenzversicherung abschließen.
Die digitale Transformation erfordert auch Knowhow bei den Beschäftigten. Was muss diesbezüglich bei der Aus- und Weiterbildung geschehen?
Es gibt einen erheblichen Anpassungsbedarf für die Qualifikationen der Beschäftigten. Gewährleistet werden muss eine Stärkung der Digitalen Gesundheitskompetenz der Mitarbeiter. Durch die Digitale Transformation ist eine agile Organisation wichtig, so dass die Selbstorganisation nach Regeln und Prinzipien (weniger nach Command & Control und Hierarchien) erfolgen muss. Entscheidungen über digitale Anwendungen sollten in sog. crossfunktionalen Teams fallen, d. h. alle Mitarbeiter sind gleichzeitig Verantwortliche und Gestalter. Diese neue Arbeitsform muss sich auch in den Aus- und Weiterbildungskonzepten etabliert werden.