Produzenten wollen Filmrechte auch weiter nur nach Ländern vergeben. Das fordern die wichtigsten Verbände der Branche in einem offenen Brief. In Europa werden die entsprechenden Regeln derzeit debattiert.
„Eine Einschränkung des Territorialitätsprinzips betrifft nicht nur die Produzenten, sondern würde der gesamten europäischen Filmwirtschaft, von den Urhebern und ausübenden Künstlern bis zu den Verleihern und Kinobetreibern, massiv schaden“, erklärt Alfred Holighaus, Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft in unserer Debatte. Deshalb warne die Branche geeint, also gewerke- und länderübergreifend, vor einer Aufweichung des Prinzips.
Man müsse verstehen, wie audiovisuelle Inhalte finanziert werden: „Neben Eigenkapital der Produzenten, öffentlicher Förderungen und Senderbeteiligung spielt insbesondere der Vorverkauf von zeitlich und räumlich exklusiven Auswertungslizenzen an Verleiher und internationale Koproduktionspartner eine wichtige Rolle für die Filmproduktion.“ Solche Presales würden nicht nur helfen, das Risiko der kostenintensiven Filmherstellung auf mehreren Schultern zu verteilen. Sie ermöglichten dem Produzenten außerdem in einer sehr frühen Produktionsphase, die beteiligten Filmschaffenden zu bezahlen und damit das Filmprojekt überhaupt zu realisieren. „Ohne exklusive Auswertungsmöglichkeiten der immer wichtiger werdenden Online-Rechte lassen sich diese Investitionen jedoch weder kalkulieren noch recoupen.“
Verbraucherschützer würden dagegen gern eine weitgehende Liberalisierung der Märkte sehen. „Heute können Verbraucher überall in Europa problemlos Autos kaufen oder arbeiten. Nur bei digitalen Inhalten haben die Grenzbäume weiterhin Bestand. Das muss sich ändern“, sagt Martin Madej vom Team Digitales und Medien beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Bereits gegen offenere Regeln für den Kabel- und Satellitenempfang habe die Filmwirtschaft Schreckensszenarien entworfen. „Eingetroffen ist von alledem nichts.“
Fraglich ist dabei, ob es überhaupt einen einheitlichen europäischen Filmmarkt gibt. Denn schließlich existieren etwa erhebliche Sprachbarrieren. „Bisher würde ich meinen, dass ein gemeinsamer Filmmarkt nicht existiert“, sagt der sozialdemokratische Europaabgeordnete Tiemo Wölken in unserer Debatte. Er verweist auf Studien nach denen 67 % aller Filme und Serien nur in einem einzigen Mitgliedsstaat ausgestrahlt werden.
„Auf der Produktionsebene arbeiten wir so europäisch wie kaum eine andere Branche“, gibt Filmwirtschaftsvertreter Holighaus allerdings zu bedenken. Mehr als die Hälfte der deutschen Kinofilme werde als europäische Koproduktionen finanziert und produziert. Ein Vorteil dabei: „Koproduzenten zum Beispiel aus Frankreich oder Italien können durch Rechteverkäufe in ihren Lizenzgebieten und Bewilligungen nationaler Förderungen zusätzliche Finanzmittel in die Produktion einbringen.“ So stünde einer internationalen Koproduktion durchschnittlich 11,3 Millionen Euro zur Verfügung stehen – im Vergleich zum Durchschnittsbudget von 2,3 Millionen Euro eines rein deutsch finanzierten Kinofilms.
Dr. Werner Müller, Geschäftsführer Wirtschaftskammer Österreich, weiß ebenfalls um die Vorteile von internationalen Koproduktionen, zugleich gibt es im Medienmarkt für ihn „keine United States of Europe“. Viele Inhalte seien sehr regional und für ihren Heimmarkt interessant, nicht aber notwendigerweise für das Publikum in anderen Ländern. „Das ist im Hinblick auf die kulturelle Diversität der einzelnen Länder auch gut so.“
Auf der Zuschauerseite besteht allerdings auch Interesse an Austausch. EU-Bürger, die in einem anderen Land wohnen, sprachliche Minderheiten, oder Bewohner von Grenzregionen sind etwa Gruppen, die von länderübergreifenden Angeboten profitieren würden. So nennt EU-Parlamentarier Wölken eine Studie nach der 41 Prozent der Nutzer Interesse am Zugriff auf Mediatheken vom EU-Ausland und 35 Prozent Interesse am Zugriff auf Inhalte aus dem EU-Ausland haben. „Dies ist über ein Drittel der Unionsbevölkerung und somit eine wirtschaftlich wie kulturell nicht zu verkennende Größe.“