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Elektronische Arbeitszeiterfassung kann positives Beispiel für die Digitalisierung der Arbeitswelt werden

Wie die SPÖ im Nationalrat das EuGH-Urteil bewertet

Josef Muchitsch, Abgeordneter zum Nationalrat, Bereichssprecher für Arbeit und Soziales des SPÖ-Klubs Quelle: pr Josef Muchitsch Abgeordneter zum Nationalrat SPÖ-Klub im Nationalrat 21.06.2019
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Unzulässige Mehrarbeit ist auch in Österreich ein Problem", betont der SPÖ-Politiker Josef Muchitsch. Deswegen begrüßt er das EuGH-Urteil, das eine umfassende Arbeitszeiterfassung vorschreibt. Bei der Einführung von Arbeitszeiterfassungssystemen hat er eine klare Forderung.







Der EuGH hat eine umfassende Arbeitszeiterfassung vorgeschrieben, um unzulässige Arbeitszeitüberschreitungen von Mitarbeitern zu unterbinden. Wie groß ist das Problem der unzulässigen Mehrarbeit Ihrer Ansicht nach?
Unzulässige Mehrarbeit ist auch in Österreich ein Problem. Auf Beschäftigte wird häufig dann ein großer Druck ausgeübt, wenn Aufträge, die mit Termindruck verbunden sind, abgearbeitet werden müssen. Um Konventionalstrafen zu entgehen, werden Arbeitszeitüberschreitungen in Kauf genommen. Vorausschauende Personalplanung und das Ausbilden von Fachkräften im Betrieb könnten Abhilfe schaffen.

Hinzu kommt noch, dass knapp 50 Milleionen geleisteter Überstunden nicht oder nur unzureichend bezahlt werden. Jedes Jahr verlieren österreichische Arbeitnehmer Geld, weil sie keine Arbeitszeitaufzeichnung führen und nicht rechtzeitig bemerken, dass sie zu wenig ausbezahlt bekommen haben. Durch die in den einzelnen Kollektivverträgen festgesetzten Verfallsfristen bleiben nämlich nur wenige Wochen, um fehlende Entgeltbestandteile einzufordern.

Einige Experten sehen mit Urteil das Ende der Vertrauensarbeit gekommen. Wie sehen Sie das?
Klar ist, dass Arbeitszeit geregelt sein muss. Dienstreisen und Überstunden sind zu erfassen und es muss in Folge regelmäßig überprüft werden, ob die mit dem einzelnen Beschäftigten vereinbarte Arbeitszeit, inklusive einer möglicher Weise vereinbarten Überstundenleistung überschritten wird. Ist dies der Fall, muss vertraglich nachjustiert werden.

Ob dies schon das Ende der Vertrauensarbeitszeit an sich bedeutet, bleibt aus meiner Sicht abzuwarten. Jedenfalls wird mit diesem Urteil aufgezeigt, wie eine europarechtlich einwandfreie Arbeitszeiterfassung aussehen muss. Das ist positiv, denn gegen Nichtaufzeichnung von geleisteter Arbeit existiert nun eine rechtliche Grundlage.

Viele Experten sehen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Arbeit und Freizeit – etwa, wenn ein Wissenschaftler nachdenkt. Wie lässt sich da eine Trennlinie ziehen?
Die Trennlinie lässt sich nur mit Hilfe des Arbeitsvertrages ziehen. Zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses ist zu regeln, wann die Arbeit beginnt, wann sie endet und welche Tätigkeiten sie umfasst. Zusätzlich entsteht dann im laufenden Arbeitsverhältnis durch die gelebte Praxis Klarheit, was Arbeit ist und was nicht.

Im Arbeiterbereich bereiten vor allem Wegzeiten rechtlich Probleme. Wo beginnt die Arbeit eines Installateurs? Wenn er von zu Hause wegfährt oder wenn er beim ersten Kunden des Arbeitstages eintrifft? In diesem Bereich hat der OGH entschieden, dass Wegzeiten Arbeitszeiten sind. In vielen anderen Bereichen beginnt die Arbeit erst im Betrieb oder auf der Baustelle – wobei auch hier die Abgrenzungsfrage im Einzelfall komplex sein kann.

Im Angestelltenbereich ist die Trennung noch viel schwieriger, weil die Arbeitsleistung als solche nicht immer mit freiem Auge erkennbar ist. Umso wichtiger ist folgende Faustregel: Unselbstständige Arbeit basiert immer auf einem Arbeitsvertrag – je genauer und klarer dieser festlegt, was vom einzelnen Arbeitnehmer verlangt wird, desto leichter fällt die Abgrenzung! Mein Tipp aus der Praxis ist daher: alles klar festlegen und alle Arbeitszeiten aufzeichnen.

Im Gespräch sind nun auch Apps zur Arbeitszeiterfassung. Wie sollten Mitarbeiter vor umfassender Überwachung geschützt werden?
Wenn Arbeitszeiterfassungssysteme eingeführten werden sollen, muss meiner Meinung nach der Betriebsrat verpflichtend eingebunden werden. Schon jetzt sind das ArbVG (Arbeitsverfassungsgesetz) die Einbindung des Betriebsratsgremiums vor, wenn die Kontrollmaßnahmen die Menschenwürde berühren. Das ist bei Kameralösungen und GPS-Ortung in Dienstwägen jedenfalls der Fall. Hier sollte jedenfalls die Arbeitnehmervertretung als Kontrollorgan eingebunden werden.

Fazit: Mit klaren rechtlichen Bestimmungen zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitwirkung der ArbeitnehmervertreterInnen) und zur Einhaltung des Datenschutzes (nur die ArbeitnehmerInnen, ihre Betriebsräte, die Arbeitsinspektorate und der Arbeitgeber selbst dürfen Zugriff auf die Daten haben) kann die elektronische Arbeitszeiterfassung ein positives Beispiel für die Digitalisierung der Arbeitswelt werden. Bezüglich Einhaltung von Arbeitszeitbestimmungen und tatsächlicher Bezahlung von geleisteten Arbeitsstunden könnte eine vollkommen neue Qualität erreicht werden. Der technisch vorgegebene Rahmen würde ein korrektes Verhalten fördern.

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