Herr Staatsminister, Ihre Ankündigung, den auf 2010 festgelegten Zeitpunkt der Digitalisierung in Sachsen-Anhalt aufzuheben, hat für große Aufregung in der Branche gesorgt. Sehen Sie die Digitalisierung des Hörfunks tatsächlich gefährdet?
Rainer Robra: Aufgehoben wird der bisherige § 34 Abs. 1 Satz des Mediengesetzes, wonach spätestens ab dem 01.01.2010 die terrestrische Übertragung von Rundfunkprogrammen´in Sachsen-Anhalt ausschließlich in digitaler Form zu erfolgen hat. Diese schon im Jahr 2000 mit weiteren Begleitregelungen geschaffeneVorschrift war ein bundesweit wahrgenommenes
Signal, dass es zur Digitalisierung des Rundfunks keine Alternative gibt. Dafür wurde Sachsen-Anhalt zunächst belächelt, heute ist diese Erkenntnis allgemein unbestritten. Die Erfolgsbilanz in Sachsen-Anhalt ist beeindruckend: DAB ist technisch flächendeckend ausgebaut, bei DVB-T wird die letzte Lücke in diesem Jahr geschlossen. Aber nicht nur bei der Terrestrik sieht es gut aus: Die vielen mittelständischen Kabelnetzbetreiber haben bei uns schon seit langem in ihre Anlagen investiert, so dass auch auf diesem Gebiet kein Nachholbedarf besteht. Alles in allem ist die gesetzliche Zielvorgabe damit schon vor dem Jahr 2010 erreicht worden. Neben diesen Erfolgen gibt es aber auch einen Misserfolg, und zwar die Akzeptanz des Digitalradios bei denVerbrauchern. Tatsache ist, dass es zum jetzigen
Zeitpunkt unklarer ist als im Jahr 2000, welches digitale Radiosystem UKW ablösen soll und wann es marktreif ist. Die Länder sind dazu da, Rundfunk zu ermöglichen und nicht, Rundfunk zu verhindern. Deswegen wird es wie überall in Deutschland auch in Sachsen- Anhalt nach dem Jahr 2010 noch UKW-Radio geben müssen. Davor kann die Politik nicht die Augen verschließen und die Marktakteure sollten es auch nicht tun.
Bislang galt Sachsen-Anhalt stets als Musterland der Digitalisierung, so ging hier mit „Rockland Sachsen-Anhalt“ bundesweit der erste Radiosender in den digitalen Regelbetrieb. Warum will Sachsen-Anhalt seine Vorreiterfunktion aufgeben?
Die Landesregierung verfolgt generell eine aktive Technologiepolitik, z. B. indem sie im gesetzlichen Rahmen Investitionen fördert. Dabei ist es häufig von Vorteil, Trends zu erkennen und neue Projekte frühzeitig mitzugestalten. Der bei uns erreichte Stand der Digitalisierung ist dafür ein insgesamt positives Beispiel. Die Wahrnehmung einer Vorreiterfunktion darf aber nicht zum Ergebnis haben, dass die hiesigen privaten Radioveranstalterdurch eine Zwangsdigitalisierung in den wirtschaftlichen Ruin getrieben werden und der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Grundversorgungsauftrag nicht mehr erfüllen kann, während um uns herum auf analogen Wellen munter weiter gefunkt wird.
Im Hörfunk laufen derzeit die Vorbereitungen für einen Neustart der Digitalisierung im Jahr 2009. Wie kann und wird Sachsen-Anhalt diesen Prozess unterstützen?
Medienpolitisches Ziel bleibt die Bereitstellung eines für die Allgemeinheit überall technologisch frei zugänglichen digitalen Systems, das der Gattung Radio einen eigenen, nutzerfreundlichen, billigen und technisch sicheren Verbreitungsweg erhält. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich international dafür eingesetzt, dass die notwendigen Sendekapazitäten für ein solches digitales System zur Verfügung stehen, aber die tatsächliche Inanspruchnahme kann nur durch die Rundfunkveranstalter selbst erfolgen.
Mit welcher Kommunikationsstrategie kann die Umstellung von analog auf digital im Hörfunk gelingen, immerhin hat es doch auch bei DVB-T geklappt?
Ein Erfolgsfaktor bei der Einführung von DVB-T ist, dass die Nutzer ihre vorhandenen Fernsehgeräte behalten können. Mir hat bisher aber niemand die Frage beantwortet, weshalb es nicht auch möglich sein soll, digitale Set-Top-Boxen für die in den meisten Haushalten vorhandenen teuren Stereoanlagen anzubieten. Vielleicht sollten sich die Kommunikationsstrategen stärker mit den tatsächlichen Lebensgewohnheiten befassen, statt immer wieder neue technologische „Features“ anzupreisen, nach denen niemand gefragt hat. Solange die Ankündigung im Raum steht, dass die Verbraucher Millionen einsatzfähiger UKW-Empfänger wegwerfen müssen, werden auch weitere geplante Abschaltzeitpunkte immer wieder verstreichen.Ich empfehle daher, dass Rundfunkveranstalter, Geräteindustrie und Netzbetreiber möglichst bald festlegen, welches Digitalradiosystem sie anbieten wollen - UKW ist der Maßstab.