Nach Ansicht von Bundeskanzler Schröder ist eine europaweite Digitalisierung des Rundfunks bis 2012 umsetzbar. Im Interview mit dem Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk nannte er den Zeitplan von EU-Kommissarin Reding “ehrgeizig, aber realistisch”. Deutschland liege gut im Plan. Herausforderung bleibe nach wie vor der digitale Hörfunk. Trotz offensichtlicher Schwierigkeiten sieht Schröder aber auch dafür gute Chancen. Als Beispiel nannte er die Einführung von Mehrwertdiensten. Zugleich forderte er die Automobilindustrie auf, Fahrzeuge bereits bei der Erstausrüstung mit DAB-Empfängern auszustatten.
Meinungsbarometer: Herr Bundeskanzler, die Internationale Funkausstellung widmet sich in diesem Jahr in besonderem Maße der Konvergenz der Medien. Welche Chance sehen Sie in der Digitalisierung des Rundfunks für den Standort Deutschland?
Gerhard Schröder: Technische Innovationen sind die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg in der Zukunft. Mit den neuen Übertragungstechnologien des digitalen Rundfunks schaffen wir in Deutschland eine hochleistungsfähige Infrastruktur für die Informationsgesellschaft. Im Kern geht es dabei um die Umrüstung analoger hin zu digitalen Netzen. Damit werden neue Programmformen wie etwa Radio on Demand möglich. Zahlreiche innovative Anwendungen nicht nur in Haushalt und Betrieb, sondern auch im Verkehrssystem - etwa bei der innerstädtischen Navigation - werden möglich. Die Digitalisierung der Kabelnetze ermöglicht damit eine neue Dynamik bei der Nachfragenach digitalen Übertragungs- und Endgeräten. Gleichzeitig führt sie zu mehr Effizienz durch einen verbesserten Informationsfluss in Industrie- und Dienstleistungsunternehmen. Beides wird die Wirtschaft mittelfristig auf einen höheren Wachstums- und Beschäftigungspfad bringen.
Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung bislang unternommen, um den Prozess der Digitalisierung des Rundfunks in Deutschland zu beflügeln?
Die gemeinsame Initiative “Digitaler Rundfunk” des Bundes und der Länder hat auf der EXPO 2000 ein Startszenario vorgestellt, mit dem Ziel, das Fernsehen bis 2010 zu digitalisieren. Durch neue rechtliche Vorschriften im Rundfunk-, Medien- und Kommunikationsbereich wurden gute Rahmenbedingungen gesetzt. Herausforderungen bestehen nach wie vor insbesondere im Bereich des Breitbandkabels, dessen Aufrüstung und Modernisierung einen immensen Investitionsaufwand erfordert, und im Bereich des digitalen Hörfunks.
EU-Kommissarin Reding will den Digitalen Rundfunk bis 2012 in Europa einführen. Sie hat alle Mitgliedstaaten aufgerufen, das Vorhaben zu unterstützen. Für wie realistisch halten Sie diesen Zeitplan? Mit welchem Beitrag wird Deutschland und die Bundesregierung das Vorhaben unterstützen?
Der Zeitplan ist ehrgeizig, aber realistisch. Deutschland liegt dabei gut im Plan. Das außereuropäische Ausland digitalisiert derzeit ebenfalls die klassischen Rundfunkübertragungswege. Im kommenden Jahr werden neue Rundfunkfrequenzpläne international abgestimmt. Weil durch die Digitalisierung das Frequenzspektrum effizienter genutzt wird, erwarten die Mitgliedstaaten ein Plus an Frequenzen. Das ermöglicht weitere Innovationen.
Sorgenkind bei der Digitalisierung des Rundfunks ist nach wie vor der digitale Hörfunk DAB. Anders als beispielsweise in Großbritannien und in Asien ist das hierzulande kein marktgetriebener Prozess, obgleich die Wiege dieser Technologie in Deutschland stand. Was muss getan werden, damit auch Deutschland davon profitiert?
Trotz der offensichtlichen Schwierigkeiten bei DAB sehe ich auch dafür gute Chancen, vor allem durch die Einführung von Mehrwertdiensten. Hier muss die Automobilindustrie bei der Erstausrüstung mitziehen. Mehr Akzeptanz für DAB setzt allerdings die Einsicht voraus, dass es einen Zusatznutzen geben muss: an Diensten, an Qualität, an Programmen, insbesondere an bundesweiten Angeboten.
Was halten Sie von einem Digitalisierungsfonds, der von Wirtschaft und Politik getragen wird und mit dessen Hilfe die Einführung von Digital Radio in Deutschland finanziert werden kann?
Der Bund trägt die Verantwortung für die Infrastruktur und die Länder tragen die Verantwortung für den Inhaltebereich. Das Marktrisiko, attraktive Geschäftsmodelle zu entwickeln, die nachfragegerecht die Situation des deutschen Marktes treffen, kann den Unternehmen nicht abgenommen werden.