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Digitalisierung darf kein Einfallstor für Privatisierung werden

Wie die Lehrer die Schule digitaler machen wollen

Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Quelle: VBE/Ostermann Udo Beckmann Bundesvorsitzender Verband Bildung und Erziehung (VBE) 28.11.2017
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Uwe Schimunek
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"Die Lehrkräfte sind übrigens nicht nur unzufrieden mit der technischen Ausstattung sondern auch wegen fehlender Weiterbildungsmöglichkeiten", betont Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung und sieht die Politik in der Pflicht. Dabei ist ihm auch wichtig, woher das Geld kommt und wer die Standards setzt.







Bei den Lehrern herrscht große Skepsis gegenüber digitalen Lehrmedien, so glaubt nicht mal jeder vierte Lehrer daran, dass digitale Medien dabei helfen, den Lernerfolg ihrer Schüler zu verbessern. Woher kommt diese Skepsis?
Diese Einschätzung kann ich auf der Basis unserer eigenen, repräsentativen Umfrage mit Bitkom nicht teilen.  Fast alle befragten Lehrkräfte sagten hier, dass Lehrinhalte um aktuelle Informationen ergänzt werden können, die Schülerinnen und Schüler motivierter sind und Inhalte und Zusammenhänge besser dargestellt werden können. Außerdem stimmen über die Hälfte der Befragten der Aussage zu, dass die Schülerinnen und Schüler schneller lernen. Alles Indikatoren dafür, dass Schülerinnen und Schüler einen höheren Lernerfolg erzielen können.

Die Skepsis sehe ich also nicht, wohl aber den Bedarf an der notwendigen Infrastruktur, pädagogisch hochwertigen Materialien und einer technischen Unterstützung für die Wartung und ggf. unterstützende Bedienung der digitalen Endgeräte sowie vor allem einer entsprechenden Fortbildung im Rahmen der Dienstzeit und nicht on top.

Der Bildungsmonitor fordert Ausbildung an digitalen Medien als Lehr- und Lernmitteln verpflichtend im Lehramtsstudium. Wie sehen Sie das?
Um die Vorteile des Lernens mit digitalen Endgeräten zu erleben, ist es sinnvoll, auch selbst entsprechende Lernerfahrungen zu sammeln. Deshalb stehe ich dieser Forderung grundsätzlich offen gegenüber. Die Universitäten selbst müssen dafür als Vorbild vorangehen, um didaktisch und methodisch die hilfreiche Unterstützung durch digitale Medien in Seminaren und Vorlesungen zu demonstrieren.

Klar muss jedoch auch sein, dass in der Lehramtsausbildung bereits sehr viele Inhalte unterzubringen sind, gerade im Hinblick auf die Herausforderung steigender Heterogenität in den Lerngruppen. Hier ist die Politik gefordert, schnellstmöglich eine angemessene Anpassung der Lerninhalte vorzunehmen.

Die Hälfte aller Lehrer ist unzufrieden mit der technischen Ausstattung ihrer Schule. Was muss die Politik tun?
Wie die neueste Hochrechnung der Bertelsmann-Stiftung zeigt, müssen jährlich fast 3 Milliarden Euro investiert werden. Wir sind der Überzeugung, dass dies nicht allein auf den Ländern und den Kommunen lasten darf. Hier braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung zusammen mit dem Bund. Dafür muss das Kooperationsverbot für den Bildungsbereich aufgehoben werden. Außerdem erwarten wir dringend, dass der Digitalpakt Schule schnellstmöglich umgesetzt wird.

Die Lehrkräfte sind übrigens nicht nur unzufrieden mit der technischen Ausstattung sondern auch wegen fehlender Weiterbildungsmöglichkeiten. Unsere Umfrage zeigte auf, dass 83 Prozent der Befragten gerne eine Weiterbildung machen würde. Auch hier muss die Politik ansetzen. Entsprechende Konzepte müssen erarbeitet und aufbereitet werden, die Lehrkräfte müssen freigestellt werden und innerhalb ihrer Dienstzeit auf hohem Niveau mit Lern- und Lehrmethoden ausgebildet werden.

Der Bildungsmonitor fordert ein gemeinsames Gütesiegel und eine deutschlandweit zugängliche Plattform für digitale Lernmaterialien. Wieviel Bildungsföderalismus ist angesichts einer vernetzten Welt noch sinnvoll?
Meines Erachtens kann man Bildungsföderalismus leben und gleichzeitig Unterrichtsmaterialien auf einer Plattform bereitstellen. Sie würden dann pro Bundesland geprüft werden und entsprechende Siegel erhalten und könnten entsprechend der Entscheidung der Schulkonferenz verwendet werden. Auch in der KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ steht, dass „länderübergreifende Synergieeffekte, beispielsweise bei Plattform- bzw. OER-Nutzungen“ angestrebt werden.

Bei dem Punkt „Gütesiegel“ finde ich noch etwas anderes bemerkenswert: Die Digitalisierung darf kein Einfallstor für Privatisierung werden! Man muss genau hinschauen, welche Institutionen solche Gütesiegel verleihen möchten und wer Interesse daran hat, eine Plattform für Lernmaterialien bereitzustellen. Schon jetzt erhalten Schulen viele gesponserte Materialien. Digitale Lernmaterialien bieten Unternehmen eine Möglichkeit, in Schule zu kommen. Der VBE wehrt sich jedoch gegen Sponsoring ohne Regeln und hat deshalb mit seinen Partnergewerkschaften aus Österreich und der Schweiz eine Erklärung verfasst. Der Primat des Pädagogischen muss oberste Leitlinie bleiben!

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