Meinungsbarometer: Herr Dr. Steul, wie bewerten Sie den aktuellen Stand der Digitalisierung des Rundfunks in Deutschland?
Dr. Steul: Es gibt ein umfangreiches digitales Rundfunkangebot über Satellit, über das digitale Kabel und natürlich über das Internet. Die wesentliche Nutzung von digitalem Rundfunk ist demnach nur zu Hause möglich. Das gilt auch für das digitale terrestrische Fernsehen DVB-T. Anders ist es beim Radio, dem Medium, das im Wesentlichen portabel oder mobil genutzt wird. Hier ist die Digitalisierung des Hörfunks überfällig. Nur der digitale terrestrische Hörfunk bietet eine größere Angebotsvielfalt und eine deutlich bessere Versorgungsqualität für einen portablen und mobilen Empfang in der Fläche. Hier kann der Hörer einen beachtlichen Mehrwert aus der Digitalisierung des terrestrischen Hörfunks gewinnen.
Wie kommentieren Sie die Entscheidung der ARD, bei der KEF für die Digitalisierung des terrestrischen Hörfunks die Freigabe von zweckgebundenen Gebührengeldern zu beantragen?
Da ziehen ARD und Deutschlandradio am selben Strang! Während sich die Fernsehangebote und die multimedialen Angebote im Internet stetig weiter entwickeln, würde ein Verharren auf dem Status quo des analogen Hörfunks bereits mittelfristig die Attraktivität des Hörfunks massiv einschränken. Bei der Beantragung der zweckgebundenen Gebührengelder geht es also in erster Linie darum, den Hörfunk so weiter zu entwickeln, dass er auch in der digitalen Welt voll verfügbar ist.
Wie schätzen Sie die Chancen für DAB+ als einheitlichen Übertragungsstandard für digitalen terrestrischen Hörfunk ein?
Der Standard DAB+ vereint moderne Toncodierungsverfahren mit einem sehr robusten Modulationssystem, das sich sehr gut für den mobilen Empfang und für die unterbrechungsfreie Versorgung von großen Flächen eignet. Durch die von WorldDMB europaweit abgestimmten Empfängerprofile ist die Grundlage für einen großen europäischen Markt geschaffen worden. Die Voraussetzungen und Chancen für DAB+ sind also sehr gut und wir sollten nun beherzt zur Umsetzung kommen und nicht durch eine unendliche Diskussion die Chance für die Einführung des digitalen Hörfunks verpassen.
Braucht Deutschland eine nationale Technologiebehörde, die technikrelevante Entscheidungen von medienpolitischer Bedeutung inhaltlich vorbereitet und begleitet?
Deutschland braucht keine Technologiebehörde, sondern Medienpolitiker, die sich nicht von dem vermeintlichen technischen Fortschritt blenden lassen und die nicht die Gestaltung der zukünftigen Medienlandschaft einfach dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen. Das Ziel muss sein, dass jeder Bürger in Deutschland einen preiswerten Zugang zu einer Fülle von Informationen haben kann und zwar überall.
Wie sieht Ihr Zeit- und Maßnahmeplan für die Digitalisierung des Deutschlandradio aus?
Der Hörer hat ein Recht darauf, Digitalradioprogramme überall zu empfangen, denn für eine lückenhafte Digitalradio-Versorgung wird sich kein Hörer zu einem Umstieg bewegen lassen. Deshalb plant Deutschlandradio schon im ersten Jahr des Neustarts, also 2010, alle Landeshauptstädte mit einem umfangreichen Digitalradio-Angebot zu versorgen. Drei Jahre später soll dann die gesamte Bundesrepublik für mobile Hörer versorgt sein und etwa 70 Prozent mit einer flexiblen Indoor-Versorgung. Wir möchten das Digitalradio-Angebot im Jahr 2013 so attraktiv haben, dass wir uns nicht mehr um den Termin 2015 sorgen müssen, wenn ein Großteil der UKW-Lizenzen ausläuft.