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Bericht

Digitale Konzerthalle als neues Geschäftsmodell für Orchester

Berliner Philharmoniker feiern erste wirtschaftliche Erfolge

Eines der besten Orchester der Welt Quelle: Berliner Philharmoniker / Monika Rittershaus, Peter Adamik 31.08.2010

Seit Jahrzehnten zählen die Berliner Philharmoniker zu den Top-Ten-Orchestern der Welt – rund um den Globus schätzt man ihren edlen Sound und die geschliffene Qualität. Doch das Orchester einmal live zu erleben ist ein kleines Kunststück, denn die Konzerte sind fast immer ausverkauft. Erst mit dem Start der „Digital Concert Hall“ im Januar 2009 gab es Abhilfe für die weltweite Klassik-Gemeinde.

Die Idee, alle Konzerte der Berliner Philharmoniker im Internet in HD-Qualität zu übertragen, hatte Olaf Maninger, seit 1996 Solo-Cellist des Orchesters. Er trieb als Medien-Vorstand die Entwicklung des neuen Webauftritts „Digital Concert Hall“ voran. Nach fünfjähriger Denk- und Entwicklungsarbeit waren beim Auftakt 2.500 Zuschauer dabei. „Seitdem haben wir fast 30.000 Tickets verkauft, darunter auch viele nach Japan, Afrika und Südamerika, so der Projektverantwortliche Tobias Möller. Für die jetzt abgelaufene Saison 2009/10 konnten immerhin 3.500 Jahresabonnements verkauft werden.

Trotz der anfänglichen Erfolge haben sich die Macher entschieden, die Digital Concert Hall zum Start der neuen Saison komplett neu aufzubauen und zu programmieren. „Denn bei allen Vorzügen der Plattform – etwa in Sachen Wiedergabequalität und Design – ist sie doch etwas zu unpraktisch in der Bedienung und aufgrund der bisherigen Flash-Programmierung nicht schnell und flexibel genug“, so Möller.

Der Kunde der digitalen Konzerthalle hat jetzt je nach Internetleitung die Wahl zwischen drei verschiedenen Übertragungspaketen. 2500 KBit/s sind es in der Premium-HD-Version, 1500 Kbit/s für eine mittlere Bildqualität und 700 KBit/s für langsamere DSL-Leitungen. Tickets für die 30 Saison-Konzerte werden von verschiedener Dauer angeboten: 12 Monate für 149 Euro, 30 Tage für 29 Euro und 24 Stunden für 9,90 Euro.

Kostendeckend ist das Projekt allerdings noch nicht: „Uns war bewusst, dass wir die Menschen an die Idee, für ein klassisches Konzert etwas zu bezahlen, erst heranführen müssen. Und so stand auch von Anfang an fest, dass dieses Projekt zunächst nur Dank der entschiedenen Unterstützung unseres Sponsors, der Deutschen Bank, umzusetzen war“, betont Möller. Dennoch hält das Vorzeigeorchester am Ziel fest, die Konzerthalle in ein paar Jahren zu einer lukrativen Einnahmequelle für die als Projektträger fungierende Berlin Phil Media GmbH zu entwickeln. Ein zentraler Zukunfts- und Erfolgsbaustein für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit des Projektes sieht man darin, dass alle Produktionen komplett in der Eigen-Vermarktung der Berlin Phil Media liegen. So kann mit den produzierten Konserven auch anderweitig Geld verdient werden, da die Mitschnitte technisch für jede Art der künftigen Verwertung kompatibel sind.

Neue Synergien erhofft man sich auch durch eine aktuelle Kooperation mit dem TV-Hersteller Sony. Die internetfähigen TV-Geräte des Branchenriesen sollen der Konzerthalle zusätzliche Reichweite ermöglichen: „Wir sind darauf angewiesen, dass möglichst viele Menschen Gelegenheit erhalten, unser Angebot einmal auszuprobieren, dabei wird uns Sony helfen“, so Möller.

Vielleicht gelingt den Machern schon bald ein weiterer Coup, denn mit der ARD wird über einen möglichen Fernsehvertrag gesprochen. Wohlwollen erntet das Angebot der Berliner Philharmoniker auch bei den anderen öffentlich-rechtlichen TV- und Hörfunk-Anstalten. Denn niemand wittert in dem Medien-Angebot des Orchesters Konkurrenz – weder beim Deutschlandradio Kultur noch in Mainz beim ZDF. Pläne zur Zusammenarbeit gibt es dennoch aktuell nicht.

Größte Aufmerksamkeit schenken dem Berliner Modell dagegen die direkten Konkurrenten in Leipzig und Dresden. So plant das Gewandhausorchester zwar keine „Internetübertragungen mit diesem Produktionsaufwand“, so Gewandhausdirektor Prof. Andreas Schulz: „denn die Kosten übersteigen derzeit bei weitem den von uns realistisch einschätzbaren Nutzen. Doch wollen wir in Zukunft verstärkt Audio- und Video-Live-Streams von ausgewählten Konzerten anbieten“, so Schulz. Die Leipziger setzten dabei auf professionell aber mit geringerem Aufwand produzierte Beiträge, deren Nutzung im Internet für die Zuschauer kostenfrei ist.

Ähnlich wie die Kollegen in Leipzig, sieht es auch Orchesterdirektor Jan Nast von der Sächsischen Staatskapelle in Dresden: „Prinzipiell ist jeder Weg der Verbreitung musikalischen Schaffens zu begrüßen, so natürlich und insbesondere auch die Digitale Konzerthalle der Berliner Philharmoniker. Wenngleich ich hier eher einen willkommenen positiven Marketing-Effekt sehe und ich ganz sicher bin, dass man nur mit starken Business-Partnern positive finanzielle Ergebnisse erzielen kann.“

Trotzdem diskutieren auch die Dresdner derzeit dieses Thema und suchen nach möglichen Wegen für eine Umsetzung. „Allerdings wird dieses digitale Zuhause-Erlebnis weder den Klang-, noch den Erlebnis-Effekt eines Konzertes in einem so wunderbaren Raum wie der Semperoper ersetzen können“, ist sich Nast sicher. Und das sehen die Kollegen in Leipzig und Berlin immerhin genauso.

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