Auf 70 Milliarden Euro in den kommenden 20 Jahren veranschlagt die EU-Kommission europaweit das wirtschaftliche Potenzial, das mit der Digitalen Dividende - dem durch die Digitalisierung freiwerdenden Frequenzspektrum - entsteht. Die Hälfte dieser Kapazitäten will Medienkommissarin Viviane Reding nun dafür nutzen, um die europäische Landbevölkerung bis 2010 mit mobilem Breitband-Internet zu versorgen (siehe auch Interview in unserer IFA-Ausgabe).Während Schweden, Dänemark und Frankreich mitmachen wollen, liegen sich in Deutschland die Marktbeteiligten weiter in den Haaren.
Gleich zu IFA-Beginn hat Friedrich P. Joussen, Vorstandschef von Vodafone in Deutschland, den EU-Vorschlag aufgegriffen und in einem Interview mit Deutschlandradio eine bessere Internetversorgung des ländlichen Raumes mit Breitbandverbindungen gefordert. Etwa 10 Prozent der ländlichen Gebiete haben bisher keine entsprechende Infrastruktur. Die Gebiete sollten künftig über Funkfrequenzen versorgt werden. Joussen sprach sich dafür aus, die benötigten Übertragungsfrequenzen aus dem Fernseh- und Rundfunkband zu versteigern.
„Das durch die Umstellung von analog auf digital freiwerdende Frequenzspektrum, müsse weiterhin für Rundfunkangebote genutzt werden“, macht ARD-Chef Fritz Raff, der auch gleichzeitig Vorsitzender des Digitalausschusse von ARD und ZDF ist, den Anspruch der öffentlichen-rechtlichen Sender deutlich. Auf dem Presseforum IFA 2008 äußert er sich besorgt über die Vorstöße der Telekommunikations- und Mobilfunkunternehmen, die Teile der Digitalen Dividende für rundfunkfremde Dienste beanspruchen. Die angebliche Versorgung des ländlichen Raumes mit breitbandigem Internet diene nur als Vorwand.
Ganz will die ARD aber offensichtlich den Stab nicht über dem mobilen Breitband- Internet in der Provinz brechen. So verriet RBB-Betriebsdirektor Nawid Goudarzi während der Medienwoche Berlin-Brandenburg, einem Kongress, der parallel zur IFA stattfand, dass sich sein Haus zumindest „consultativ“ an einem Versuchsprojekt beteiligt,das Anfang Dezember im Raum Wittstock startet. Auch die Rundfunkanbieter seien darin interessiert, dass ein Zugriff auf ihr Programm über das Internet bestehe und Lücken bei der Breitbandversorgung geschlossen werden, so Goudarzi. An dem Wittstocker Projekt, bei dem mobiles Breitbandinternet ein Jahr lang über nicht benötigte Rundfunkfrequenzen getestet wird, ist neben der Medienanstalt Berlin-Brandenburg mit T-Mobile auch ein Mobilfunkunternehmen beteiligt.
Für RTL unterstrich während der Medienwoche Tobias Schmid, Leiter Medienpolitik, den digitalen Frequenzbedarf. Noch sei allerdings schwierig einzuschätzen, was der Rundfunk beispielsweise für DVB-T brauche. Hier liegen die Privaten zwar noch zurück, wollen aber den Ausbau zumindest in den Ballungsräumen vorantreiben. Die nächste Region sei Halle/Leipzig, kündigte Schmid an.
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Mattias Kurth, versuchte die Wogen zu glätten. Auch er war Gast der Medienwoche. So verwies er auf noch völlig brachliegende Frequenzen und stellte zudem in Aussicht, dass die Bundeswehr bis 2012 von ihr genutzte Kanäle räumen würde. Von einer Versteigerung der Frequenzen hält Kurth derzeit nicht viel. Ein solcher Schritt käme erst als letztes in Frage.