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Interview

Digitale Dividende 2: Erneuter Schlag gegen Kultureinrichtungen und Kreativindustrie

Verband der Drahtlosanwender befürchtet verheerende Folgen

Matthias Fehr, President Association of Professional Wireless Production Technologies e.V. Quelle: APWPT Alexander Hiller Redakteur Meinungsbarometer.info 30.04.2015

Noch immer kämpfen Kultureinrichtungen und die Kreativindustrie mit den Folgen der ersten Digitalen Dividende. Doch mit der Einführung von DVB-T2 und der damit verbundenen Versteigerung des 700 MHz-Bereichs spitzt sich die Lage für die Drahtlosanwender nun dramatisch zu. Was der Branche droht und was jetzt überhaupt noch getan werden kann, erklärt der Präsident des maßgeblichen und weltweit agierenden Verbands der Drahtlosanwender.







Sind die Drahtlosanwender von der bevorstehenden Migration von DVB-T auf DVB-T2 und damit von erneuten Frequenzverlusten betroffen?

Für die Nutzer drahtloser Produktionsmittel ist nicht in erster Linie die Umstellung von DVB-T auf DVB-T2 relevant, sondern die damit verbundene Versteigerung des 700 MHz-Bereichs an den Mobilfunk. Der Mobilfunk verdrängt damit die Funkmikrofone aus ihrem Kernbereich, weil der Mobilfunk den 700 MHz-Bereich belegt und bis auf die kleine Duplex-Lücke kein Platz mehr für drahtlose Produktionsmittel ist. Das ist nach der digitalen Dividende 1 jetzt in kurzer Zeit der zweite Schlag gegen das Kultur- und Kreativsegment. Die Politik hat Ersatzspektrum für die drahtlosen Produktionsmittel versprochen. Der Bundesrat hat am 05.07.2013 beschlossen, den L-Band-Frequenzbereich dafür zu öffnen. Die Bundesnetzagentur hat dazu den Frequenznutzungsplan angepasst. Kurz darauf verkündete die Bundesregierung mit Zustimmung der Länder auch diesen Frequenzbereich an den Mobilfunk zu versteigern. Die Versteigerung erfolgt ausschließlich zu Lasten der Funkmikrofone etc. Die TV-Sender können sich durch den Wechsel zu DVB-T2 (höhere Kompression) in das verbliebene Spektrum „retten“. Höhere Kompressionsraten bleiben den drahtlosen Produktionsmitteln versagt, da sie als Front-End Technologie höchste Qualität abliefern müssen.

Mit DVB-T2 Einführung werden weitere TV-Kanäle belegt und manche Festinstallationen (z.B. in Theatern) direkt betroffen sein, d.h. müssen Ihre Drahtlosanlage umrüsten lassen oder neu kaufen. Wir haben diese Situation ab August in der Region Köln/Bonn.

Begrüßen Sie die Entschädigungszahlungen, die jetzt im Gespräch sind und fangen diese die Kosten für mögliche Frequenzanpassungen Ihrer Drahtlosanwender tatsächlich auf?

Die Entschädigungszahlungen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie berücksichtigen bei den kulturaffinen Nutzern, dass die drahtlosen Produktionsmittel in der Regel rund 10 Jahre eingesetzt werden. Bei den wirtschaftlich agierenden Nutzern wird nur der Restwert einer Anlage erstattet. In beiden Fällen müssen aber die Planungs- und Installationskosten im Wesentlichen selbst getragen werden. Das werden sich insbesondere kleinere Einrichtungen nicht mehr leisten können. Die Politik hätte mit einer weitsichtigen Frequenzplanung diese Entschädigungszahlungen und den Verdruss bei den Beteiligten vermeiden können. Mit der Benennung von Ersatzspektrum und einem entsprechenden Vorlauf würden keine oder nur sehr geringe Kosten anfallen.  Als alternatives Beispiel möchten wir hier OFCOM UK nennen, welche PMSE-Nutzern 55% des Neupreises erstattet.

Welche Forderungen haben Sie als Verband an die politischen Handlungsträger, welche an die Mobilfunkindustrie?

Der Schutz der Werkzeuge der Kultur- und Kreativsegment muss von der Politik ernst genommen werden. So wichtig die Digitalisierung ist, gibt es aber Bereiche unserer Gesellschaft, die für die Durchführung ihrer Aufgaben auf drahtlose Produktionsmittel nicht verzichten können. Die Politik fordert Planungssicherheit für den Mobilfunk. In gleicher Weise muss sie auch den Nutzern drahtloser Produktionsmittel Planungssicherheit gewähren. Sie müssen sicher sein, dass ihnen ausreichend geeignete Frequenzen auf Dauer zur Verfügung stehen. Davon sind wir noch weit entfernt. Frequenzvergaben an den Mobilfunk sind nicht rückholbar – wird der Schaden erst „erfahrbar“, dann ist es zu spät. Frequenzen für Mobilfunk und das Kultur- und Kreativsegment müssen gleichberechtigt behandelt werden.

Wie wollen Sie möglichen und erneuten Digitalen Dividenden vorbeugen, wie können Sie Ihre Mitgliederkünftig schützen?

Die Bundesregierung, in vielen Gremien vertreten durch die Bundesnetzagentur, muss bei den Verhandlungen allen Versuchen widerstehen, jetzt auch noch den Rest des UHF-Spektrums dem Mobilfunk zuzuweisen, wie dies bereits von einigen Staaten und Mobilfunkanbietern gefordert wird. Die Bundesländer müssen dabei den Bund zu einer klaren Haltung drängen und fordern, dass Deutschland dazu seine Bedeutung in die Waagschale wirft. Das erfordert Networking bereits im Vorfeld. Sich einfach überstimmen zu lassen, ist keine Haltung. Die Politik muss sich auch ihrer Verantwortung für das Kultur- und Kreativsegment bewusst werden. Es ist der viertwichtigste Wirtschaftszweig und noch vor der Automobilbranche der größten Arbeitgeber und erzeugt über sekundäre Wirkung erhebliche wirtschaftliche Effekte. Entzieht man diesem Bereich die für jede Art von Veranstaltung notwendigen Frequenzen für die Kommunikationswerkzeuge wird dieser Bereich in erhebliche Probleme kommen. Es ist nun an der Zeit, dass die Techniker, die diese Technik hinter der Bühne täglich bedienen, vor den Vorhang treten und ihren Abgeordneten klar machen, dass sie dabei sind, einen florierenden Wirtschaftszweig zu demontieren, wenn sie weiter Frequenzen verkaufen. Dieser Druck auf die Entscheidungsträger in der Politik kann nur von den Nutzern der Technik aufgebaut werden, um den Schutz der Veranstaltungstechnik zu erreichen. Verbände wie der APWPT und die Initiative „SOS - Save Our Spektrum“ liefern dazu fundierte Informationen. Es ist jetzt der richtige Zeitpunkt sich für den Erhalt von Frequenzen für den Veranstaltungsbereich einzusetzen – und letztlich damit auch den eigenen Arbeitsplatz zu sichern.

Wird die kommende Weltfunkkonferenz 2015 wieder neue Rahmenbedingungen schaffen?

An der Weltfunkkonferenz 2015 (WRC-15) nehmen bis zu 191 Länder und viele Organisationen teil. Vorbereitet wird diese Konferenz über einen sehr langen Prozess mit Beratungen in allen Weltregionen. Im Rahmen eines Mandats der vorherigen WRC wurde auch der Verlust des 700 MHz-Bereichs für die drahtlosen Produktionsmittel studiert. APWPT war seit der letzten WRC an verantwortlicher Position in diesen Prozess eingebunden. Als Ergebnis entstanden hilfreiche Studien und Empfehlungen, die im Rahmen der nächsten WRC zur Entscheidung vorgelegt werden sollen. Notwendige Entscheidungen werden allerdings ausschließlich von den teilnehmenden Administrationen getroffen. Lässt sich hier keine Mehrheit finden, werden drahtlosen Produktionsmittel nicht ausreichend berücksichtigt. APWPT und ihre Mitglieder kontaktieren daher in vielen Ländern die regionalen Administrationen und fordern Unterstützung ein.

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