Kann nach Ihren Erfahrungen das Building Information Modeling (BIM) die in es gesetzten hohen Erwartungen erfüllen?
Ja, nur muss man den Anwendern in der Industrie Zeit geben, diese neue Technologie zu erlernen. Wir bereiten die Studierenden darauf vor, die zukünftigen Know-how-Träger aus BIM umfassend zu verstehen. BIM ist die Grundlage für integriertes Planen und Kommunizieren, für die Optimierung von Ressourcenströmen und Materialflussketten, für die Simulation und Steuerung von Fertigungsprozessen und Maschinen sowie für die Optimierung mittels Künstlicher Intelligenz (KI). Damit greift BIM aber auch in erheblichem Maße in die Organisations- und Ablaufstrukturen (Prozesse) im Bauwesen ein.
Jedes Unternehmen, das BIM nutzt, muss sich die Frage stellen: Was sind die Erwartungen? Um die Potentiale der Digitalisierung nutzen zu können, müssen auch die Arbeitsprozesse, die Arbeitsumgebung sowie die Kompetenzen der Mitarbeiter weiterentwickelt werden. In der kleinteiligen Bauindustrie wird es einige Zeit benötigen, bis diese Anpassungen vollzogen sind.
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Können mit dem BIM-basierten Bauen relevant Kosten gespart werden?
Sicherlich können mit BIM Kosten gespart werden. Jedoch ist BIM wie die Investition in ein neues Werkzeug oder in eine neue Maschine fallbasiert bzw. auf der Ebene von Unternehmen oder ganzen Wortschöpfungssystemen zu betrachten. Der Einsatz muss schlank auf den jeweiligen Ansatz hin verstanden, durchkalkuliert und angepasst werden. Grundsätzlich geht es dabei um eine Art Komplexitätsmanagement. Aktuell entstehen Einsparungen vor allem aufgrund der Vermeidung von Fehlern durch eine bessere und frühere Kommunikation am Modell. Diese Einsparungen sind jedoch schwer in einem konkreten Projekt zu greifen.
Inwieweit ist das Bauen mit BIM generell umweltfreundlicher als das konventionelle?
BIM liefert die Daten für lebenszyklusorientierte Nachhaltigkeitsauswertungen. Insbesondere in der derzeitigen geopolitischen Situation (Ressourcenknappheit, Rohmaterial und Energiepreise etc.) hat BIM enormes Potential als „Kleber“ bei der Vernetzung von Bauplanungs- und Bauproduktionsressourcen hin zu regionalen, zirkulären Systemen zu funktionieren. Damit können insbesondere regionale Wertschöpfungsstrukturen gestärkt werden. Das ist eine Chance insbesondere für die mittelständischen Unternehmen, aber auch für große Unternehmen mit regionalem Bezug.
BIM bietet insbesondere Vorteile durch das digitale, parametrische Verknüpfen von Informationen. Beispielsweise bleiben so bei Planungsänderungen – die sich häufig auch einfach aus dem über die Bauphasen hinweg zunehmenden Detaillierungsgrad ergeben – Bezüge zwischen Teilsystemen wie Geometrien, Bauteilbeschaffenheiten, Massen und Ausführungsprozessen bestehen. Und es ist möglich, Kosten sowie Energie- und Nachhaltigkeitsberechnungen teilautomatisiert abzuleiten. Gezielt eingesetzt, lassen sich damit wirtschaftliche Vorteile und auch Vorteile in Bezug auf die Flexibilität im Bauprozess erzielen.
Welche Hindernisse stehen BIM noch im Wege und an welchen Stellschrauben müssen die Akteure auf allen Ebenen noch drehen?
Die Forschung und Entwicklung im Bereich Digitales Planen und Bauen ist wesentlich weiter als wir das in der Umsetzung in der Realität im Moment sehen. Die Optimierung von Planung mittels BIM und KI, das Nutzen von bidirektionalen Schnittstellen zwischen BIM und teilautomatisierten Baumaschinen und sogar Robotern (BIM-to-Field, BIM-to-Robot), die Einführung von immer mehr Sensorik bei Fabriken und Baumaschinen; in zahlreichen nationalen und internationalen Forschungsprojekten werden diese Ansätze derzeit bereits intensiv getestet. Jetzt ist es auch Aufgabe von uns Hochschulen, dies mittels gut ausgebildeten Studierenden, angewandter Forschung, Start-ups und Beteiligung an Normungs- und Standardisierungsaktivitäten in die industrielle Anwendung zu transferieren.
BIM hat auch das Potential mit Ansätzen aus den Bereichen Vorfertigung und seriellem Bauen positive Synergien zu erzeugen; sowohl im Hochbau als auch im Tiefbau. Allerdings zielen wir dabei auf stabile Prozesse und einen systematisch organisierten Bauerstellungsprozess ab und nicht auf gleichförmige, serielle Bauwerke. Mittels Digitalisierung können wir trotz steigender Anforderungen an das Bauen (Qualität, Nachhaltigkeit, Individualität etc.) Komplexität und Kosten kontrollieren und vielleicht sogar reduzieren.
Seitens des Fakultät Bauingenieurwesen ist man mit dem Lehr- und Forschungsgebiet digitales Bauen als Vertiefungsrichtung im Masterstudiengang an der OTH Regensburg bestens aufgestellt. Ziel ist hier die Transferleistung in der Zusammenarbeit mit Unternehmen und Büros aus der Baupraxis, aber auch interdisziplinär mit anderen Fakultäten und z.B. Start-ups deutlich zu steigern.
Durch die Beteiligung an nationalen und internationalen Forschungsaktivitäten, bei denen man Innovationen testet und entwickelt, ist ein Umfeld geschaffen, das Zugang zu allen relevanten Werkzeugen und Methoden sicherstellt. Die beteiligten Professoren sind dabei weltweit vernetzt (z.B. CIFE/Stanford, International Association for Automation and Robotics in Construction, European Council on Computing in Construction etc.) und prägen die nationale und internationale Standardisierung im Bereich der Digitalisierung im Bauwesen und der Baumaschinenindustrie maßgebend mit. Beispiele hierfür sind die Mitwirkung bei buildingSMART, VDI, DIN und CEN-CENELEC.
Um die Transferleistungsmöglichkeiten weiter auszubauen, wird die OTH zusammen mit dem Bayerischen Bauindustrieverband das BUILDING LAB (https://building-lab.de) einrichten. Hier werden ab Frühjahr 2023 Lehre, Vernetzung, Forschung und Innovationsunterstützung zum Thema Digitalisierung im Bauwesen weiter gebündelt.
* Diese Ausführungen sind eine Gemeinschaftsarbeit von Mitarbeitern der Fakultät Bauwesen der OTH Regensburg, die sich dort zur "Interessengruppe Digitalisierung" zusammengeschlossen haben. Im Einzelnen sind das Prof. Thomas Linner - Digitalisiertes Bauen mit Schwerpunkten Bauproduktion, Prof. Marcus Schreyer - Digitalisiertes Bauen mit Schwerpunkten Bauabwicklung und Industrielles Bauen, Prof. Mathias Obergrießer - Digitalisiertes Planen und Bauen sowie Prof. Thomas Euringer – Bauinformatik.