Flexible Stromtarife nach Tageszeit, Wind- und Wetterlage? Nach einer aktuellen Bitkom-Umfrage können sich drei Viertel der Bundesbürger vorstellen, einen solchen Tarif zu nutzen. „Wichtigster Grund der Befürworter ist, den Verbrauch von Ökostrom zu forcieren“, erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. 57 Prozent erwarten allerdings auch, damit Kosten sparen zu können. 39 Prozent finden eine solche Preisgestaltung gerechter. Allerdings bleibt es fraglich, ob ein flexibler Tarif im Einzelfall tatsächlich günstiger werden würde. Das „hängt sicherlich auch davon ab, ob man seinen eigenen Stromverbrauch anpasst – oder entsprechende Technologien nutzt“, sagt Rohleder und verweist darauf, das inzwischen private Stromspeicher vertrieben werden, die wie eine Batterie in den eigenen vier Wänden funktionieren. Diese werde aufgeladen, wenn die Solaranlage gerade viel Strom produziert oder der Strom günstig bezogen werden kann und versorge den Haushalt mit preisgünstigem Strom.
Für Bernd Westphal, Sprecher der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Energie der SPD-Bundestagsfraktion, bewertet die Ergebnisse der Umfrage sehr positiv. „Mit dem Einbau von Smart Metern und der weiteren Digitalisierung der Energiewende gehen wir einen wichtigen Schritt hin zu einer besseren Synchronisierung von volatiler Erzeugung und schwankender Nachfrage machen.“ Damit biete die Digitalisierung eine Möglichkeit das enorme Flexibilisierungspotenzial auch bei privaten Haushalten zu heben.
Denn für die Energiewende werde mehr Intelligenz im Stromsystem gebraucht. Die Energiewende zieht nach Ansicht von Westphal einen nahezu kompletten Umbau des Stromsystems nach sich. „Wir brauchen viel mehr dezentrale Erzeugungsanlagen und eine weiterentwickelte Netzinfrastruktur.“ Auch Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder prognostiziert eine stärker dezentrale Energieproduktion in kleinen Einheiten. „Riesige Kraftwerke mit Kohlegruben sind die Dinosaurier der Energieerzeugung, über kurz oder lang zum Aussterben verurteilt.“ Damit diese dezentrale Produktion gelinge, brauchen man Vernetzung und digitale Energienetze.
Die Grüne Energiepolitikerin Dr. Julia Verlinden plädiert zusätzlich zum schnelleren Ausbau der Erneuerbaren auch für mehr Anstrengungen beim Energiesparen und für mehr Energieeffizienz. „Auch Netzmodernisierung und Netzausbau hinken dem Bedarf noch deutlich hinterher.“
Sie verweist in Sachen Preisgestaltung auf einen weiteren Aspekt: „Um flexible Tarife nutzen zu können, ist der Einbau von intelligenten Messgeräten nötig - der flächendeckende Einbau von solchen Smart-Metern ist nicht billig.“ Zunächst kommen auf den Verbraucher also Kosten zu, die vorm Sparen erwirtschaftet werden wollen. So könne das Modell nur funktionieren, wenn die Versorger müssten entsprechend zeitlich gestaffelte Preise für den Stromverbrauch im Angebot haben.
Bei Smart Metern sorgen sich viele Bundesbürger auch um Sicherheit (laut Bitkom-Erhebung die Hälfte) und Datenschutz (ein Drittel). Für Verlinden ist klar: „Wer seine Daten nicht preisgeben will, sollte dazu nicht gezwungen werden. Es darf deshalb keine Zwangsbeglückung mit Smart Metern geben.“ SPD-Experte Westphal betont, dass gerade für private Haushalte die Erfassung und die Übermittlung der Daten auf ein Minimum reduziert werden müsse, sodass kein persönliches Profil erstellt werden können. „Digitalisierung ist eine Bewegung, die die Politik nicht aufhalten kann. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir von Anfang an dabei sind, sie sicher für die Verbraucher zu gestalten.“ Auch Hauptgeschäftsführer Rohleder nimmt die Sorgen ernst. „Wir sprechen bei den Energienetzen von einer kritischen Infrastruktur.“ Gerade mit Blick auf die Digitalisierung der Netze müsse gelten: „Wir brauchen nicht nur das leistungsfähigste und stabilste Netz der Welt, sondern auch das sicherste.“