Der EuGH hat eine umfassende Arbeitszeiterfassung vorgeschrieben, um unzulässige Arbeitszeitüberschreitungen von Mitarbeitern zu unterbinden. Wie groß ist das Problem der unzulässigen Mehrarbeit Ihrer Ansicht nach?
Während in Österreich Arbeitgeber schon jetzt verpflichtet sind, Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen, gibt es in Spanien keine solche vergleichbare Regelung. Deshalb hat das aktuelle EuGH-Urteil keinerlei Auswirkungen auf Österreich. Die Arbeitszeiten sind somit für Dienstnehmer, Dienstgeber und Behörden nachvollziehbar sowie überprüfbar.
Gesetz, Kollektivverträge und Einzelvereinbarungen ermöglichen in Österreich eine Vielzahl von verschiedenen Arbeitszeitmodellen. So können sowohl die Bedürfnisse des Arbeitnehmers als auch jene des Betriebs berücksichtig werden. Das schätzen Dienstnehmer wie Dienstgeber gleichermaßen. Mit der Einführung der Arbeitszeitflexibiliserung hat die Bundesregierung 2018 arbeitsrechtliche Grauzonen entschärft und Arbeitgeber wie Arbeitnehmer eine freiere Gestaltung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht. Seit ihrer Einführung gab es nur vier Beschwerdefälle beim zuständigen Sozialministerium. Probleme gibt es somit in der Praxis kaum. Zudem liegen die von den Arbeitkammern für ihre Mitglieder erstrittenen Lohnnachzahlungen unter 0,17% der gesamten Lohnsumme Österreichs.
Schließlich zeigen uns Umfragen und die geringe Anzahl an Beschwerden klar, dass das Miteinander von Arbeitnehmer und Arbeiter in Österreich exzellent funktioniert.
Einige Experten sehen mit Urteil das Ende der Vertrauensarbeit gekommen. Wie sehen Sie das?
„Vertrauensarbeitszeit“ war und ist in Österreich nur für jene Personen möglich, die vom Anwendungsbereich des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen sind wie z.B. leitende Angestellte. Da für diese Personengruppe keine Arbeitszeitaufzeichnungen notwendig sind, ändert sich hier nichts.
Viele Experten sehen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Arbeit und Freizeit – etwa, wenn ein Wissenschaftler nachdenkt. Wie lässt sich da eine Trennlinie ziehen?
Der Trend geht in Richtung Flexibilisierung der Arbeitszeit. Das hat auch mit dem technologischen Wandel zu tun. Smartphone & Co ermöglichen es, ständig erreichbar zu sein, weshalb Dienstnehmer zu Recht die Möglichkeit nach Homeoffice oder Teleworking einfordern. Hier sind Dienstgeber unterschiedlichster Branchen gefordert, entsprechende Arbeitszeitmodelle anzubieten, um den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter gerecht zu werden. Eine gesetzliche „Gedankenkontrolle“ wird aber wohl nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Bei Wissenschaftlern handelt es sich wiederum in der Regel um Dienstnehmer, die speziell zum Zweck des Erfindens bzw. der Forschung angestellt wurden. Sie erhalten dafür natürlich ein entsprechendes Entgelt.
Im Gespräch sind nun auch Apps zur Arbeitszeiterfassung. Wie sollten Mitarbeiter vor umfassender Überwachung geschützt werden?
Solche neuen Möglichkeiten können positive Effekte mit sich bringen, wie eine einfache und schnelle Abwicklung der Arbeitszeiterfassung. Es muss aber sichergestellt werden, dass ein Missbrauch sowohl durch Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer verhindert wird. Das österreichische Arbeitsrecht regelt diesen sensiblen Bereich bereits: Ist es durch die technischen Gegebenheiten möglich, mehr als die Arbeitszeit zu erfassen, wie etwa Daten über Mitarbeiter zu sammeln, dann bedarf es einer Betriebsvereinbarung oder einer Einzelvereinbarung.
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