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Das selbstfahrende Auto nur ein Traum?

Autoclub hält völlige Abdeckung zwischen allen Verkehrssituationen und den programmierten Daten für unmöglich

Josef Harrer, Leiter Pressestelle Auto- und Reiseclub Deutschland e.V. Quelle: ARCD Josef Harrer Leiter Pressestelle Auto- und Reiseclub Deutschland 24.11.2016
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Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Das völlig autonom fahrende Auto ist für den Auto- und Reiseclub Deutschland (ARCD) auch in Zukunft nur ein Traum. "Es wird nie eine völlige Abdeckung zwischen möglichen Verkehrssituationen und den programmierten Daten geben können, weil der Mensch nicht alle Eventualitäten vorhersehen kann", so der Verkehrsexperte des ARCD, Josef Harrer. Aus diesem Grund ist es für den Autoclub derzeit nicht vorstellbar, dass ein Auto im Wortsinn tatsächlich zum autonomen „Selbstbeweger“ wird.







Das Kraftfahrtbundesamt hat Tesla aufgefordert, sein System nicht mehr „Autopilot“ zu nennen, da es sich lediglich um ein Assistenzsystem handle. Ab wann ist ein selbstfahrendes Auto überhaupt ein solches?
Das Wort „Auto“ bedeutet an sich selbst ja schon „Selbstbeweger“ – wenngleich bislang der Fahrer mit Gasfuß und Schalthebel weitestgehend die Rolle des eigentlichen „Bewegers“ eingenommen hat. Bei den selbstfahrenden Autos soll diese Aufgabe zunehmend ein Computersystem übernehmen, das sich über Sensoren, Kameras und Radargeräte an Bord ein Bild von der jeweiligen Verkehrssituation macht und davon ausgehend ein vorher für diese Situation festgelegtes Fahrprogramm einsteuert. Das Auto fährt also nicht selbst, sondern vollzieht lediglich das nach, was ihm und seinen Prozessoren einprogrammiert wurde. Und genau das ist der Knackpunkt: Es wird nie eine völlige Abdeckung zwischen möglichen Verkehrssituationen und den programmierten Daten geben können, weil der Mensch nicht alle Eventualitäten vorhersehen kann. Deshalb ist es aus Sicht des ARCD derzeit nicht vorstellbar, dass ein Auto im Wortsinn tatsächlich zum autonomen „Selbstbeweger“ wird. Der Mensch in Form des Fahrers wird sich in absehbarer Zeit auch nicht durch ein noch so ausgeklügeltes Computer- und Steuerungssystem aus seiner Verantwortung stehlen können.

Mit zunehmender Sicherheitstechnik wird das Fahren sicherer, aber zugleich wird die Technik für den Fahrer immer unberechenbarer. Bis zu welchem Grad ist mehr Technik aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Wenn Sicherheitstechnik versagt, haftet im Regelfall zumindest bis zum Ende der Garantiezeit der Hersteller – sofern die Technik vom Eigentümer regelmäßig gewartet und auf dem neuesten Stand gehalten wurde. Dies wird auch für künftige Entwicklungen der Fall sein. Sinnvoll ist Technik stets dann, wenn sie den Fahrer entlastet, menschliche Fehler vermeiden hilft, Unfälle verhindert oder deren Folgen vermindert. Ein gutes Beispiel dafür im Auto ist etwa der Notbremsassistent, der im Rahmen der Fahrphysik automatisch vor plötzlich auftauchenden Hindernissen bis zum Stillstand abbremst. Allerdings bleibt die rechtliche Verantwortung auch in einem damit ausgerüsteten Auto immer beim Fahrer.

Sicherheitsgurte sind Pflicht. Wie viel Sicherheitstechnik sollte gesetzlich vorgeschrieben werden?
Nicht nur Sicherheitsgurte, sondern auch andere sicherheitstechnische Einrichtungen sind im Auto gesetzlich vorgeschrieben – wie etwa ABS, ESP, Airbags oder Kinder­sitze. Sie alle erfüllen den Zweck, Verkehrsunfälle zu vermeiden oder deren Folgen für die Passagiere eines Autos zu vermindern. Aus Sicht des ARCD darf es in diesem Punkt keinerlei Ausrüstungsbe­schrän­kung geben, sofern die jeweilige Technik zuverlässig funktioniert und für den Normalautofahrer bezahlbar ist. Bislang hat sich die Vorgehensweise der Industrie durchaus bewährt, derartige, meist relativ teure Sicherheitstechnik zunächst in höheren Fahrzeugklassen einzuführen, um über allmählich steigende Stückzahlen den Preis senken und sie so für ein breiteres Anwendungsfeld akzeptabel machen zu können. Diese Downgradestrategie hat auch weiterhin Erfolg, wie die Durchdringung der Modellpaletten mit automatischen Notbremssystemen, Abstandsradar oder Toter-Winkel-Warner zeigt. Mit Funktionen, die dem Fahrer weitere Aufgaben abnehmen und die Fahrt überwachen oder managen, wird es künftig wohl ähnlich funktionieren.

In Deutschland scheinen viele Autofahrer Automatik-Lösungen skeptisch gegenüber zustehen, selbst die Kupplung wird im Unterschied zu anderen Ländern regelmäßig selbst bedient. Wie wirken sich derartige mentale Unterschiede auf die Zukunft des Autos aus?
Die herkömmliche, mit einem relativ schlechten Ruf behaftete Wandlerautomatik oder das automatisierte Getriebe haben als zeitgemäße Alternative zum Handschaltknüppel inzwischen längst ausgedient. An ihre Stelle treten mehr und mehr hochtechnische, bis zu zehngängige Automatik- und Direktschaltgetriebe, die das optimale Drehzahlband eines Verbrennungsmotors bestmöglich ausnutzen und so nicht nur Handarbeit, sondern auch Kraftstoff sparen und Emissionen verringern. Ihnen gehört zweifellos die Zukunft, zumal die Aufpreise dafür kontinuierlich sinken. Bei Elektroautos stellt sich diese Wahlfrage ohnehin nicht: Hier muss sich der Fahrer lediglich zwischen einem Vor- und einem Rückwärtsgang entscheiden.

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