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Bonus-Malus-System statt Kaufprämie

Wie Mobilität nachhaltig werden kann - und was die Politik dafür tun sollte

Florian Hacker, Stellv. Leiter Bereich Ressourcen & Mobilität beim Öko-Institut Quelle: Öko-Institut Florian Hacker Stellv. Leiter Bereich Ressourcen & Mobilität Öko-Institut e.V. 28.11.2019
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Uwe Schimunek
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Die Politik sollte bei der Steuerung der Mobilität "den regulatorischen Rahmen konsequent an der Höhe der CO2-Emissionen ausrichten", Florian Hacker vom Öko-Institut. Den Ausbau der Ladeinfrastruktur und Förderung der E-Mobilität begrüßt er, doch insgesamt geht es aus seiner Sicht darum "ein nachhaltigeres Verkehrssystem zu erreichen."







Die Bundesregierung will den Ausbau der E-Auto-Ladestations-Infrastruktur massiv vorantreiben – sind eine Million Stationen bis 2030 die richtige Zielmarke?
Das ausgegebene Ziel ist eine Million Ladepunkte, also in etwa halb so viele Ladestationen. In jedem Fall ist die Zielmarke ein wichtiges Signal. Denn eine verlässlich verfügbare Ladeinfrastruktur ist neben konkurrenzfähigen Fahrzeugkosten das zentrale Erfolgskriterium für Elektrofahrzeuge. Nur wenn Fahrzeugkäufer die Sicherheit haben, dass eine flächendeckende Infrastruktur verfügbar ist und diese auch weiter ausgebaut wird, werden sie sich für ein E-Fahrzeug entscheiden. Wichtig ist nun, dass auch die Umsetzung zügig und koordiniert erfolgt. Wie eine bedarfsgerechte Infrastruktur im Jahr 2030 genau aussehen wird, kann heute nicht im Detail vorhergesagt werden. Doch wir wissen mittlerweile genug, um den Aufbau bedarfsgerecht zu planen. Daher sollten uns verbleibende Unsicherheiten nicht vom schnellen Handeln und dem Mut, zu einem späteren Zeitpunkt Pläne bei Bedarf anzupassen, abhalten.

Der Kauf von E-Autos soll auch weiter mit Kaufprämien angekurbelt werden – was halten Sie davon?
Ein verlässlicher Kostenvorteil beim Einsatz eines E-Pkw ist für den Markterfolg von zentraler Bedeutung. Andernfalls werden sich nur wenige Privatkunden – wie bisher – für ein Elektrofahrzeug entscheiden. Die Anschaffungskosten durch eine Förderung zu verringern, ist daher prinzipiell sinnvoll, die bisherige einseitige Ausrichtung auf die Förderung des Kaufs von E-Pkw greift jedoch zu kurz und ist auch verteilungspolitisch bedenklich. Konsequent wäre ein Bonus-Malus-System, das hoch emittierende konventionelle Fahrzeuge bei der Beschaffung stärker belastet und E-Fahrzeuge entlastet. Neben dem Einstieg in die Elektromobilität muss gleichzeitig auch der Ausstieg aus Fahrzeugen mit hohem Energieverbrauch und hohen Emissionen beschleunigt werden. Zudem würde somit eine Refinanzierung innerhalb des Systems erreicht und ein Verursacherbezug hergestellt werden. Eine Finanzierung der Kaufprämie aus dem allgemeinen Steuerhaushalt stellt dies nicht sicher. Schließlich ist auch eine deutlichere Differenzierung zwischen der Förderung von batterieelektrischen Fahrzeugen und Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen bei der Kaufförderung sowie auch etwa bei der Dienstwagenbesteuerung im Sinne der ökologischen Lenkungswirkung unerlässlich.

Wie die jüngere Vergangenheit zudem zeigt, helfen Kaufprämien nur bedingt, wenn Elektrofahrzeuge nur in begrenzter Stückzahl und Modellvielfalt zur Verfügung stehen und von Herstellern nicht aktiv beworben werden. Die Verschärfung der CO2-Standards auf europäischer Ebene sorgt dafür, dass auch die Hersteller in den kommenden Jahren ein deutlich höheres Eigeninteresse haben, E-Fahrzeuge in den Markt zu bringen.

In jedem Fall darf die Kaufprämie – insbesondere in der aktuellen Ausgestaltung ohne Gegenfinanzierung innerhalb des Verkehrssektors – nur ein zeitlich befristeter Anreiz für die Markteinführungsphase sein.

Experten fordern einen technologieoffenen Ansatz bezüglich der Mobilität der Zukunft. Wie wird die Politik dem aus Ihrer Sicht gerecht?
Bei aller verbleibenden Unsicherheit über zukünftige technologische Entwicklungen zeichnet sich insbesondere im Pkw-Bereich mit dem batterieelektrischen Antrieb ein klarer Favorit für die CO2-Minderung des Straßenverkehrs in den kommenden Jahren ab. Wo die direkte Stromnutzung möglich ist, hat sie aufgrund ihrer Gesamteffizienz einen ökologischen Vorteil vor den Alternativtechnologien. Dies soll nicht ausschließen, dass in Zukunft auch andere Konzepte, wie übrigens auch in anderen Sektoren, als ergänzende Technologien den Markt bereichern.

Politik sollte vor diesem Hintergrund und angesichts des Handlungsdrucks den regulatorischen Rahmen konsequent an der Höhe der CO2-Emissionen ausrichten und marktreife Technologien, wie den batterieelektrischen Antrieb, in der Markteintrittsphase fördern und beim Infrastrukturausbau unterstützen. Bisher wird die Politik dieser Zielstellung jedoch nur bedingt gerecht und die Debatte über die notwendige Technologieoffenheit birgt die Gefahr, dass eine klare CO2-bezogene Rahmensetzung weiter aufgeschoben wird.

Konkrete Maßnahmen, die der geforderten Technologieoffenheit gerecht werden würde, wären eine stärkere CO2-Bepreisung, eine antriebsunspezifische Quote für Null-Emissionsfahrzeuge und eine Ausgestaltung der CO2-Standards, die sich stark an den realen Emissionen im Betrieb orientiert.

Zeitgleich scheinen jüngere Zielgruppen einen neuen, flexibleren Zugang zu Mobilität zu bekommen und mehr Wert auf vernetzte Mobilitätsangebote als auf das eigene Auto zu legen. Wie sollte die Politik solche Tendenzen unterstützen?
Die veränderten Mobilitätsroutinen und neue Perspektiven auf den Pkw von jüngeren Zielgruppen bieten ein Gelegenheitsfenster, um gewohnte Pfade in der Alltagsmobilität, die sich gesellschaftlich verfestigt haben, zu verlassen und ein nachhaltigeres Verkehrssystem zu erreichen.

Die Erreichung dieses Zielbilds mit einer geringeren Pkw-Besitzquote, einem höheren Anteil des nicht-motorisierten Verkehrs und stärker multimodalen Mobilitätsroutinen lässt sich jedoch nur erreichen, wenn die Politik ihren Gestaltungsauftrag annimmt. Bisher schaffen neue Mobilitätsangebote einen größeren Möglichkeitsraum, wie dieser genutzt und erweitert wird, hängt von den Rahmenbedingungen ab. Insbesondere Angebotsqualität und Preis sind dabei entscheidende Einflussfaktoren auf die Nutzung.

Die geringere Pkw-Besitzaffinität und die Verfügbarkeit von Alternativen bietet die Chance, CO2-intensive Mobilität stärker zu bepreisen, den öffentlichen Raum zwischen den Verkehrsträgern zu Gunsten von öffentlichem und nicht-motorisiertem Verkehr neu zu verteilen und dabei eine bezahlbare Mobilität zu gewährleisten.

Andernfalls ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht garantiert, dass neuen Mobilitätsangebote und -routinen auch zu einem nachhaltigen Verkehr führen, sondern ein schlichtes Mehr an Verkehr könnte die unerwünschte Konsequenz sein.

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