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Interview

Bislang kaum beachtet: Ministerpräsidenten wollen Rundfunk neu definieren

Experten mahnen Überarbeitung des vorliegenden Entwurfs an

Thomas Fuchs, Direktor der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein Quelle: Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH) Alexander Hiller Redakteur Meinungsbarometer.info 31.07.2008

Herr Fuchs, was konkret ist der Inhalt der im Entwurf zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vorgesehenen Neudefinition des Rundfunkbegriffs?

Thomas Fuchs: Rundfunk (linearer Informations-und Kommunikationsdienst) ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten aller Art in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektronischer Kommunikationsnetze. Das bedeutet, dass die Rundfunkdefinition auf einen technischen Ansatz reduziert und allein an der Verbreitungsform eines Angebots orientiert wird: Lineare Angebote sind Rundfunk, non-lineare (auf Abruf) sind es nicht.

Warum halten Sie die neue Definition für problematisch?

Sie bedeutet eine Abkehr vom traditionellen deutschen Rundfunkverständnis, das die Frage, was Rundfunk ist, inhaltlich bewertet. Hintergrund für die besondere Regulierung des Rundfunks in Deutschland ist sein großer Einfluss auf die Meinungsbildung, den der Rundfunk dadurch hat, dass er mit identischen Inhalten gleichzeitig eine unbegrenzte Zahl von Empfängern erreichen kann. Dieser Kombination aus Reichweite und Inhalt, die die Sonderrolle des Rundfunks ausmacht, kann die neue Definition nicht gerecht werden.

Welche Auswirkungen hätte die beschriebene Definitionsänderung konkret auf die deutsche Medienlandschaft? Welche Angebote fallen dann unter den Begriff „Rundfunk“ und welche nicht?

Viele Angebote, die bislang nicht zum Rundfunk zählen, weil sie keinen nennenswerten Einfluss auf die öffentliche und private Meinungsbildung haben, wären aufgrund ihrer Linearität Rundfunk. Die Landesmedienanstalten müssten dann im Prinzip unzählige Angebote lizenzieren, die bislang zulassungsfrei waren. Das kann keiner wollen. Auf der anderen Seite wären meinungsbildungsrelevante Inhalte, die beliebig vielen Nutzern auf Abruf zur Verfügung stehen, kein Rundfunk. Die Tagesschau im Fernsehen - ohne Zweifel Rundfunk - wäre es im Internet auf Abruf nicht. Noch schwieriger wird es bei der Vermischung von Angebotsformen.

Im Zuge der fortschreitenden Medienkonvergenz wurde schon häufiger über einen neuen Rundfunkbegriff diskutiert. Wie müsste eine Rundfunkdefinition, die der Medienkonvergenz gerecht wird und dennoch die besondere Relevanz des Rundfunks berücksichtigt, Ihrer Meinung nach lauten?

Die Landesmedienanstalten setzen sich für eine inhaltliche Ergänzung des technischen Ansatzes ein, die dem deutschen Rundfunkverständnis Rechnung trägt und zugleich verhindert, dass Angebote ohne Einfluss auf die Meinungsbildung durch den Rundfunkbegriff „geadelt“ werden. Neben der Verbreitungsform sollten Kriterien wie Reichweite und Wirkungsweise (Suggestivkraft) ebenso eine Rolle spielen wie die kommunikative Intention eines Anbieters. Insgesamt ist der Rundfunkbegriff vielleicht sogar enger zu fassen und auf seinen Kernbereich zu reduzieren, aber was dann noch Rundfunk ist, muss Rundfunk bleiben, unabhängig davon, wie ein Angebot ins Haus kommt.

Konnten Sie erfahren, welche Position die Ministerpräsidenten zur Rundfunkdefinition vertreten und wie sie in diesem Punkt bei den endgültigen Beratungen zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag im Herbst abstimmen werden?

Die Neudefinition des Rundfunks ist in der aktuellen Diskussion über den Funktionsauftrag und die Internetaktivitäten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter bislang völlig untergegangen. Verfolgt man die Presseberichte, war sie auch nicht Kern der Beratungen der Ministerpräsidenten. Wenn der Vertragsentwurf jetzt zunächst mit der EU-Kommission beraten werden soll, bietet das Gelegenheit, auch die Rundfunkdefinition noch einmal zu überdenken.

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