Immer mehr TV-Zuschauer gucken nebenbei auf das Smartphone oder ein Tablet. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Untersuchungen, die diesen Befund bestätigen.
"Parallelnutzung ist tatsächlich ein Phänomen, das im letzten Jahrzehnt stark an Bedeutung gewonnen hat“, bestätigt Gerald Neumüller. Inzwischen gehen nach seinen Aussagen 67 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren beim Fernsehen zumindest hier und da ins Internet, jeder Dritte sogar häufig. Das Wachstum der Second Screen-Nutzung habe sich allerdings in den letzten Jahren verlangsamt, der Zenit scheint erreicht. Außerdem bedeute die weit verbreitete Parallelnutzung nicht, dass die Aufmerksamkeit der Zuschauer ständig mit dem Second Screen konkurriert.
Neumüller nennt drei Gründe für die verblüffende Erkenntnis. Erstens nennt er Blickbewegungsstudien, nach denen auch bei Parallelnutzung während der Werbung der Schwerpunkt der visuellen Aufmerksamkeit auf dem TV-Bildschirm bleibt. Zweitens wirke Werbung nachweislich auch in Situationen, in denen sich Zuschauer mit dem Second Screen beschäftigen – zum einen über das periphere Sichtfeld und zum anderen über die Tonspur. Und drittens sieht er für die Werbung sogar neue Chancen. Denn sehr häufig suchten die Zuschauer nach Produkten oder Dienstleistungen, die sie gerade in der Werbepause oder in einer Sendung gesehen haben. „Das lässt sich an den Suchanfragen z.B. bei Google oder an den Zugriffen auf die Websites der beworbenen Marken ablesen.“
Auch Cornelia Krebs, Leiterin Werbewirkungsforschung, Mediengruppe RTL Deutschland, hat aktuelle Daten zur Hand. Ihre Tagesablaufstudie "IP Fourscreen Touchpoints" beschäftigt sich sehr intensiv mit der Multiscreen-Nutzung. „Wir haben recht frische Ergebnisse dazu, dass TV in der Primetime nach wie vor nahezu exklusiv genutzt wird und sich Zuschauer in dieser Zeit kaum ablenken lassen – egal ob jung oder alt.“ Bei einem TV-Spot erwarte der Zuschauer große Unterhaltung, hohe Qualität, starke Bilder und eine gute Geschichte – sozusagen Kino-Feeling. Wenn dieses Parameter passe, wird die Aufmerksamkeit auf den großen Screen gezogen.
Auch die Werbewirtschaft verfolgt aktuelle Trends rund um den Second Screen natürlich genau. „Trotz Parallelnutzung liegt die Aufmerksamkeit immer noch mehrheitlich auf dem großen Bildschirm“, erklärt Dr. Tanja Boga, Unit Director Research Consulting bei Mediaplus. Bei Ausstrahlung des Werbeblocks verringere sich die Aufmerksamkeit etwas – der Second Screen rücke stärker in den Fokus. „Während des TV-Programms wechselt der Nutzer etwa 1,5 Mal in der Minute zwischen den Screens, bei der Werbung erhöht sich dieser Wert auf 4,1 Mal.“ Erfreulicher Effekt für Sender und Werbetreibende: Aufgrund der Beschäftigung mit dem Smartphone oder Tablet zappen Parallelnutzer in den Werbepausen seltener – die Reichweite des ausgestrahlten Sendeformats steigt. Daher werden Kreationselemente bei den TV-Spots wichtiger. So kann die verminderte visuelle Aufmerksamkeit bspw. durch auditive Stimuli zurück auf den TV gelenkt werden. „Zusammen mit der höheren Reichweite durch das geänderte Zappingverhalten erzielen TV-Spots auch bei Parallelnutzern signifikante Wirkungseffekte.“