Der Ausbau der Elektromobilität in Deutschland ist beschlossene Sache. Welche Bedeutung hat das für Strom- und Energiewirtschaft?
Ziel der Bundesregierung ist es, bis zum Jahr 2020 eine Million E-Fahrzeuge auf die Straße zu bringen. Auch wenn dieses Ziel vermutlich nicht erreicht werden kann, ist der Trend eindeutig. Neben der grundsätzlichen Klärung, wie das Fahrzeugvolumen erreicht wird, muss auch die erforderliche Ladeinfrastruktur im privaten wie im öffentlichen Bereich geschaffen werden. Dafür ist es wichtig zu ermitteln, in welchem Umfeld (Stadtgebiet, städtisches Umland, ländliches Gebiet oder überall) die Fahrzeuge voraussichtlich zum Einsatz kommen. Weitere wichtige Punkte für den Erfolg der Elektromobilität sind der Zugang zur Ladeinfrastruktur sowie die Messung und Abrechnung der genutzten Energie. Als zuständiger Verteilungsnetzbetreiber kümmern wir uns in Berlin vor allem um den Anschluss von Ladeinfrastruktur im öffentlichen wie privaten Raum und beraten unsere Kunden zu allen Fragen des Netzanschlusses. Finanziell setzen wir durch günstigere Netzentgelte Anreize für moderne, steuerbare Elektromobilität und gehen auch selbst mit gutem Beispiel voran: Bis 2020 werden 70 Prozent unserer eigenen Fuhrpark-PKWs über elektrifizierte Antriebe verfügen (derzeit sind es 15 Prozent). Hierfür statten wir sukzessive unsere Gebäude und Freiflächen mit der erforderlichen Ladeinfrastruktur aus.
Sind die Netze ausreichend ausgebaut oder braucht es neue Netzstrukturen für die E-Mobilität?
Eine generelle Aussage für Deutschland ist hier nicht möglich, da die Voraussetzungen und Anforderungen an die Verteilungsnetze sehr unterschiedlich sind. Insbesondere städtische und ländliche Verteilungsnetze unterscheiden sich grundlegend in ihrer Struktur. Für Berlin können wir jedoch sagen, dass unser Verteilungsnetz fit ist für die Elektromobilität: Eine von Stromnetz Berlin durchgeführte Potentialanalyse hat einen möglichen Lastzuwachs von ca. 140 Megavoltampere (MVA) bei einem Anteil von 20 Prozent Elektromobilität im Berliner Straßenland (ca. 250.000 Fahrzeuge) ergeben. Dies entspricht in etwa 5 Prozent der Jahreshöchstlast in Berlin. Dafür ist unser Netz bereits heute ausgelegt. Gemeinsam mit dem DAI Labor der TU Berlin haben wir zudem vor Kurzem eine Bewertung der Netzsituation speziell in der Niederspannung durchgeführt und festgestellt, dass auch bei stark steigenden Anforderungen aufgrund einer steigenden Zahl von E-Fahrzeugen mit entsprechend zunehmenden Ladeleistungen die Elektromobilität nicht durch unser Stromnetz "ausgebremst" und die gewohnte Netzqualität gehalten würde.
Wie steht es um die Sicherstellung von genügend Strom auch bei einer flächendeckenden Verkehrsinfrastruktur auf E-Basis? (Kurz gefragt könnten 46 Millionen PKWs, die heute mit fossilen Brennstoffen unterwegs sind, auch als E-PKW zu jeder Zeit mit Strom betankt werden?)
Diese Frage kann nur bedingt vom Netzbetreiber beantwortet werden, da die Kraftwerksplanung bzw. die deutschlandweite Leistungsbilanz nicht in den eigenen Verantwortungsbereich fällt. Die Umstellung der Fahrzeugflotte muss natürlich im Zusammenhang mit der generellen Entwicklung von Stromverbrauch und -erzeugung betrachtet werden. Genau diese Fragen spielen bei der Umsetzung der Energiewende eine große Rolle. In Berlin beobachten wir diese Entwicklungen sehr genau und bauen das Verteilungsnetz bedarfsgerecht weiter aus, so dass es mit dem Zuwachs der Elektromobilität, aber auch mit dem Anschluss von dezentralen Erzeugungsanlagen Schritt hält.
Welche energiepolitischen Rahmenbedingungen muss die Politik schaffen, damit das Wunschkind E-Mobilität auch in der Praxis funktioniert? (Stichworte Energiewende, Kohlestrom, Atomstrom, Zukauf von Strom etc.)
Zunächst einmal braucht es ein klares Konzept für den Ausbau und die Vereinheitlichung von Ladeinfrastruktur. Aus Netz-Sicht ist es wichtig, dass die vorhandenen Potentialflächen für Ladeinfrastruktur, z. B. Parkhäuser, P+R-Parkplätze, Entwicklungsgebiete, öffentlicher Wohnungsneubau, Tankstellen, betriebliche Fahrzeugflotten oder Einfamilienhaus Siedlungsgebiete, konsequent im Stadtgebiet erschlossen werden. Dafür braucht es einen politischen Masterplan, der alle relevanten Akteure in der Stadt mit einbezieht.