Menue-Button
← FACHDEBATTE Interview

Berlin-Brandenburgisches Modell zur Förderung von Lokal-TV

Wie die mabb den Sendern hilft und was noch getan werden könnten

Dr. Anja Zimmer, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Quelle: Falk Weiß Dr. Anja Zimmer Direktorin Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) 12.12.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
ZUR FACHDEBATTE

"Die mabb ist überzeugt, dass weitere Unterstützungsmaßnahmen für lokaljournalistische Angebote von Nöten sind", sagt deren Direktorin Dr. Anja Zimmer. Dafür muss Geld und ein passender rechtlicher Rahmen her. Denn letztlich geht es darum, "die regionale und lokale Nachrichtenversorgung, die heute noch „weißen Flecken“ umfasst, flächendeckend zu gewährleisten.







Zeitungsredaktionen dünnen die Lokalredaktionen aus, auf der anderen Seite entstehen private Blogs und Angebote im Netz – welche Rolle spielt Lokal-TV heute in der regionalen Medienlandschaft?
Lokal-TV-Sender zeichnen sich durch ihren hohen lokalen Bezug aus, sie kennen die Themen und Akteure vor Ort. Und das ist wichtig, denn in der Bevölkerung herrscht ein großes Interesse an lokalen Informationen. Wird die Buslinie eingestellt? Wer sind die Kandidaten für den Landtag? Wann wird das Breitbandnetz in meiner Region ausgebaut? – das bewegt die Menschen vor Ort. Natürlich gibt es noch andere lokale Medienakteure, z. B. Tageszeitungen oder lokale Blogs. Sie sprechen unterschiedliche Zielgruppen an. Gemeinsam haben sie aber das Problem der schwieriger werdenden Finanzierung im Werbemarkt. Kostenpflichtige Angebote kämpfen zudem mit sinkenden Reichweiten. Das macht lokale Berichterstattung nicht einfacher. Aber es gibt auch Chancen: Eine Untersuchung der mabb im ländlichen Brandenburg aus dem Jahr 2013 hat gezeigt, dass viele Nutzer traditionellen Medien stärker vertrauen. Davon können Lokal-TV-Anbieter ebenso wie Tageszeitungen profitieren, wenn sie konsequent in hochwertige lokale Berichterstattung investieren.

Damit möglichst viele Bürgerinnen und Bürger lokaljournalistische Informationen erhalten, müssen diese durch unterschiedliche Medien vermittelt werden: Print, Internet, Hörfunk und Fernsehen. Lokal-TV kann dabei nicht als Ersatz für lokale Tageszeitungen fungieren. Schon aufgrund der aufwändigeren Produktionsbedingungen, der höheren Kosten und der begrenzten Refinanzierungsmöglichkeiten im lokalen Werbemarkt können die Sender oft nicht umfassend tagesaktuell berichten. Sie können aber Bevölkerungsgruppen erreichen, für die die Tageszeitung nicht das Medium ihrer Wahl ist. Gut gemachte Angebote können Themen platzieren, Diskussionen befördern und journalistischen Mehrwert schaffen.

Apps, Streaming, Mobil – die Inhalte müssen über immer mehr Plattformen zum Zuschauer gebracht werden. Wie lässt sich das refinanzieren? 
Das ist die Gretchenfrage für alle Medien, ob lokal, regional oder bundesweit. Medienangebote müssen ihre (potentiellen) Zuschauer dort abholen, wo sie sind. Das geht nicht zum Nulltarif: Sender brauchen passende Formate und Inhalte, außerdem Redakteure, die das Medium verstehen und Lust auf Interaktion mit dem Leser, Zuschauer, Nutzer haben. Und auch ein bisschen IT-Kompetenz schadet sicher nicht. Damit das alles handhabbar bleibt, ist es wichtig, sich die Arbeitsprozesse genau anzuschauen und Strukturen und Techniken zu schaffen, die den Aufwand in Grenzen halten. Die mabb unterstützt die Lokal-TV-Sender durch Schulungen und Beratung vor Ort. Außerdem bietet sie mit dem Vernetzungsprojekt technische Unterstützung an.

Eine interessante Plattform ist in unseren Augen auch HbbTV. Auch hier können wir unterstützen: Ein gutes Angebot scheint uns hier das Lokal-TV-Portal zu sein, da es unterschiedliche Übertragungswege zusammenführt. Programme, die nicht über Satellit oder Terrestrik verbreitet werden, können über die Red-Button-Funktion als Internet Livestream oder Mediathek abgerufen werden. Voraussetzung ist natürlich, dass der Fernseher ans Internet angeschlossen ist. Hier liefert der aktuelle Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten interessante Daten: Zwar attestiert er Satellit und Kabel als Verbreitungsweg für TV-Inhalte eine große Bedeutung. Gleichzeitig stellt er aber fest, dass die Bedeutung des Internets für die Übertragung von Bewegtbildinhalten deutlich wächst. In Brandenburg besitzt mittlerweile mehr als jeder vierte TV-Haushalt ein Smart-TV-Gerät. Über 45 %  der Brandenburgerinnen und Brandenburger ab 14 Jahren haben ihr Gerät direkt oder beispielsweise über Streaming-Sticks, Spielekonsolen, Set-Top-Boxen oder Laptop mit dem Internet verbunden. Und knapp 40 % dieser Personengruppe nutzen mindestens einmal im Monat Video-on-Demand- und Livestream-Angebote. Dieses Potential sollten auch die Lokal-TV-Sender nutzen.  

Auf dem diesjährigen Lokal-TV-Kongress beklagten Anbieter, dass regionale Werbegelder aus den Regionen abfließen und es neue rechtliche Regeln geben müsse. Was sollte sich ändern?
Auch dieser Problematik sind wir uns bewusst. Die mabb achtet darauf, dass die bundesweiten Sender die Vorschriften zum Verbot regionaler Werbung einhalten. Aktuell führen wir hierzu ein Verfahren gegen einen bundesweiten Sender. Letztlich wird aber auch im Lokal-TV nicht weniger als ein neues Geschäftsmodell gesucht. Ein wichtiger Schritt ist in unseren Augen der Zugang zum nationalen Werbemarkt. Dazu müssen Strukturen geschaffen werden, die das ermöglichen. Lokal TV müsste attraktiver werden, denn nur ein durchgängig gutes Programm schafft ein Werbeumfeld, das Werbekunden anzieht. Und die müssten davon wissen. Gattungsmarketing ist hier das Stichwort. Das geht nur gemeinsam. In Brandenburg werden derzeit Ideen für eine senderübergreifende Vermarktung entwickelt. Wenn das gelingt, wäre das ein wichtiger Schritt nach vorne.

In Deutschland aber auch international (etwa in der Schweiz) wird Lokal-TV sehr verschieden gefördert. Welche Instrumente gibt es bei Ihnen und welche können Sie sich in Zukunft vorstellen?
Derzeit unterstützt die mabb gemäß ihren Aufgaben nach dem Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich der Medien (MStV) lokale Rundfunkveranstalter in Berlin und im Land Brandenburg durch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, Förderung der technischen Infrastruktur für die Rundfunkversorgung und Projekte zur Erprobung neuer Sendeformen sowie für neuartige Rundfunkübertragungstechniken. Zu diesen Maßnahmen gehören beispielsweise der Satellitenkanal BB-MV-Lokal-TV und das Vernetzungsprojekt. Aus Sicht der Sender tragen die Fördermaßnahmen der mabb wesentlich zu deren Bestand bei. Insbesondere Investitionen in die Digitalisierung der Programmverbreitung und Fortbildungen sind nach Senderaussagen aus eigenen Mitteln nicht zu bezahlen.

Die mabb ist überzeugt, dass weitere Unterstützungsmaßnahmen für lokaljournalistische Angebote von Nöten sind. Um ein Konzept für die Sicherung der lokalen Medienvielfalt zu entwickeln, hat der Medienrat der mabb seit Januar 2017 zahlreiche Anhörungen zu Modellen für die Förderung von lokalen Medien(-Inhalten) durchgeführt. Dabei wurde deutlich, dass Modelle wie das der Schweiz nicht eins zu eins adaptierbar sind. Erarbeitet wurde daher ein „Berlin-Brandenburgisches Modell“*: Es sieht eine plattformunabhängige crossmediale Förderung von professionellen lokalen Medieninhalten vor. Das kann in zwei Schritten geschehen: Fördermaßnahmen würden stärker an technische und journalistische Qualitätsstandards gekoppelt werden. Gleichzeitig müsste der gesetzliche Rahmen geändert werden, damit professionelle lokaljournalistische Inhalte gefördert werden können und zwar medienübergreifend für Rundfunk und Telemedien. Eins muss aber auch klar ein: Umsonst ist das nicht zu haben. Sollte die mabb mit der Umsetzung beauftragt werden, müsste auch die notwendige Finanzausstattung zur Verfügung gestellt werden.

Wenn der Gesetzgeber diesen Weg geht, würde dies ganz sicher Impulse für Innovationen im Lokaljournalismus und Anreize für die Gestaltung qualitativ hochwertiger Medieninhalte schaffen. Ziel muss es sein, die regionale und lokale Nachrichtenversorgung, die heute noch „weißen Flecken“ umfasst, flächendeckend zu gewährleisten.

 

* Positionspapier des Medienrats der mabb zur Förderung von lokaljournalistischen Medieninhaltenabrufbar unter:
http://mabb.de/files/content/document/FOERDERUNG/Lokal-TV/mabb_Medienrat_Positionspapier_Lokaljournalismus_Oktober_2017.pdf

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
René Falkner
Vorstandsvorsitzender
BLTV

René Falkner, Vorstandsvorsitzender Bundesverband Lokalfernsehen BLTV
Lokal-TV

Verband fordert Gleichbehandlung von ■ ■ ■

Wie Werberegeln die Umsätze in andere Medien ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
René Falkner
Vorstandsvorsitzender
BLTV

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Wolfgang Kreißig
Präsident
Landesanstalt für Kommunikation (LFK)

Dr. Wolfgang Kreißig, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation (LFK)
Lokal-TV

LFK für flexiblere Fördermöglichkeiten ■ ■ ■

Wie die Sender fit für die digitale Zukunft ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Wolfgang Kreißig
Präsident
Landesanstalt für Kommunikation (LFK)

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Jochen Fasco
Direktor
Thüringer Landesmedienanstalt

Jochen Fasco, Direktor der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM)
Lokal-TV

TLM für neue Fördermöglichkeiten für ■ ■ ■

Welches kleine Wort aus dem ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Jochen Fasco
Direktor
Thüringer Landesmedienanstalt

ZUR FACHDEBATTE

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.