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Bedrohen Streamer die Vielfalt der Kinolandschaft?

Warum Festivals Haltung bewahren müssen

Florian Vollmers, Festival Management Nordic Film Days Lübeck Quelle: NFL Florian Vollmers Festival Management Nordic Film Days Lübeck 25.02.2019
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Dipl.- Journ. Thomas Barthel
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"Es spielt erst mal keine Rolle, wer einen relevanten Film produziert hat, sondern die cineastische Qualität und Kinotauglichkeit ist entscheidend für die Aufnahme eines Beitrags in unser Programm", betont Festival-Manager Florian Vollmers von den Nordic Film Days Lübeck. Einige Auswertungsstrategien von VOD-Plattformen sieht er aber mit Skepsis.







In Cannes blieben die großen Streaming-Plattformen draußen, in Venedig gewann die Netflix-Produktion „Roma“ den Goldenen Löwen. Wie gehen Sie mit Produktionen von VOD-Anbietern um?
Wir schließen sie nicht grundsätzlich aus. Es spielt erst mal keine Rolle, wer einen relevanten Film produziert hat, sondern die cineastische Qualität und Kinotauglichkeit ist entscheidend für die Aufnahme eines Beitrags in unser Programm - und ob der Film zuvor bereits auf anderen Festivals, im Kino, im Fernsehen oder im Angebot einer VOD-Plattform zu sehen war. Natürlich wollen wir als Festival, dass Kino als exklusiver Ort für gemeinsame Filmerlebnisse nicht an Bedeutung verliert, und sehen deshalb gewisse Auswertungsstrategien von VOD-Plattformen - wie Netflix im Falle von „Roma“ oder „Elisa und Marcela“ - mit Skepsis. Bislang ist es aber nur in Einzelfällen vorgekommen, dass Produktionen von VOD-Anbietern für unseren Festivalwettbewerb in Frage kamen. Wir konnten das dann im Einzelfall entscheiden.

Die Streaming-Plattformen investieren Milliarden in ihre Produktionen und setzen nicht selten Maßstäbe in Sachen Optik und Narration – inwieweit könnten die VOD-Anbieter dem Kino den Rang ablaufen?
Es geht hier erst mal um zwei verschiedene Rezeptionsformen, nämlich einerseits das beliebige Streamen im eher privatem Umfeld auf verschiedenen Endgeräten und andererseits das Kinoerlebnis mit großer Leinwand und sozialer Begegnungsstätte, der durch diverse Umstände eine gewisse Exklusivität zugesprochen wird. Ich glaube nicht, dass VOD dem Kino irgendwann den Rang ablaufen kann, weil immer Menschen ins Kino und auf Festivals gehen werden. Dass VOD-Plattformen jetzt vermehrt als potente Filmproduzenten auf den Plan treten und viel Geld in Prestige-Projekte stecken, steht auf einem anderen Blatt. Mit zunehmendem Erfolg und wachsenden Abo-Zahlen haben VODs durchaus das Potential, Kinos massiv unter Druck zu setzen und die Vielfalt in der Kinolandschaft zu dezimieren. Deshalb geht es jetzt um Schutzräume: Die VOD-Anbieter dürfen nicht so viel Macht anhäufen, dass die Programmkinos kaputt gehen. Auch aus Festivalsicht entscheidend dabei ist, dass Vielfalt sowohl in der Filmauswahl als auch bei der Auswahl der Spielstätten gewährt bleibt.

Auch hierzulande gibt es inzwischen häufiger Produktionen von Netz-Plattformen – wie könnte das den hiesigen Markt verändern?
Wenn die VODs auch in Deutschland - wie derzeit abzusehen - ihre zunehmende Macht dazu nutzen, die Talente für die Herstellung ihrer Online-Produkte abzusaugen, wird es immer schwieriger, abseits von Online-Anbietern interessante und abwechslungsreiche Filme zu produzieren, die dann auch vom Publikum gesehen werden. Klar könnte sich der Markt dann so verändern, dass am Ende einige wenige VOD-Anbieter die Bewegtbild-Branche dominieren. Ich sehe da eine ähnliche Sogkraft wie bei Internet-Unternehmen wie Google, Facebook und Amazon. Es wird wahrscheinlich darauf ankommen, dass Filmschaffende sich bewusst für eine alternative Form der Filmproduktion entscheiden müssen - ebenso wie die bewusste Entscheidung von Filmfans für oder gegen einen Streaming-Abend auf der Coach - um dieser Entwicklung etwas entgegenzuhalten. Und auch wir Festivals müssen Haltung bewahren und uns nicht in Abhängigkeiten begeben.

Derzeit bekommen reine Streaming-Produktionen in Deutschland keine Filmförderung. Wie sollte das aus Ihrer Sicht künftig sein?
Was in der Filmförderung hierzulande diskussionswürdig ist, hat mit Netflix und Co erst einmal nicht viel zu tun. Aber es ist hoffentlich klar ersichtlich, dass diejenigen VOD-Produzenten, die derzeit groß den Markt aufmischen, auch aufgrund ihres Finanzierungsmodells über Online-Abos eine Filmförderung nicht nötig haben. Dafür aber viele andere, die spannende Filmprojekte haben  - ohne Millionen Abonnenten im Rücken. Zumindest hat Netflix jetzt angekündigt, so wie alle Anbieter, die mit der Auswertung von Kinofilmen Geld verdienen, in die deutsche Filmförderung einzuzahlen. Das ist ein gutes Zeichen.

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