Meinungsbarometer: Am 30. Juli 2007 haben Vertreter aus Politik, Rundfunk, Industrie, Netzbetrieb und Verbänden die 2. Münchner Erklärung zur Digitalisierung des Hörfunks verabschiedet. Was soll mit diesem Positionspapier bewirkt werden?
Eberhard Sinner: Alle Beteiligten setzen ein klares Signal für den Ausbau des digitalen Radios. Es ist der Auftakt für ein konzertiertes Vorgehen in Deutschland. Neu ist, dass wir bundesweite Angebote anstreben. Von Anfang an soll die Frequenzplanung auch lokale und regionale Bedarfe einbeziehen.
Der Schwerpunkt der Erklärung ist die Erweiterung der DAB-Sendeleistung in Bayern. Wann ist ihrer Meinung nach mit dieser Erhöhung zu rechnen? Die Aufrüstung der 42 Sender wird Zug um Zug erfolgen, denn für jeden Standort muss die mögliche Leistungserhöhung einzeln berechnet und abgestimmt werden. Noch laufen die Gespräche mit dem Bundesverteidigungsministerium. Im optimalen Fall könnten bereits Ende 2007 Sender die Leistung erhöhen, wahrscheinlicher ist aber Anfang 2008. Beginnen werden wir in mehreren bayerischen Ballungsräumen wie München, Nürnberg, Würzburg und Regensburg.
Gesetz dem Fall, dass in Bayern die DAB-Sendeleistung erhöht wird, in wie fern wird diese Erweiterung Modellcharakter für Deutschland haben?
Unser bayerisches Beispiel ermutigt die anderen betroffenen Regionen in 12D, ihre Sendestandorte ebenfalls einzeln abzustimmen. Bayern hat zur landesweiten DAB-Versorgung den besonders schwierigen Block D im Kanal 12. 12D hat hohe Schutzauflagen, weil in unmittelbarer Nähe zum militärisch genutzten Kanal 13 gelegen. Regionen mit einer Versorgung durch die Blöcke 12A bis 12C sind schon heute zu Leistungserhöhungen in der Lage.
Die Verhandlungen um eine Sendeleistungserhöhung in den bereits genutzten digitalen Radiokanälen ziehen sich schon seit geraumer Zeit hin. Warum konnte bislang noch keine Einigung erzielt werden?
Das hat zwei Gründe: Deutschland muss sich - nicht zuletzt wegen seiner zentralen Lage in Europa – mit zahlreichen Nachbarn abstimmen. Erst mit der europaweiten Frequenzplanungskonferenz in Genf 2006 kam der Startschuss für eine flächendeckende Leistungserhöhung. Es braucht des Weiteren einen politischen Anstoß gegenüber den Frequenztechnikern bei Rundfunkanstalten und Ländern, aufeinander zuzugehen, auf die jeweilige Optimalforderung zu verzichten und das Machbare zu ermöglichen. Das hat mich einige Zeit und wiederholte Überzeugungsarbeit gekostet.
Momentan wird der mögliche Wechsel auf den Standard DAB+ in ganz Deutschland heiß debattiert. Ihrer Meinung nach, in wie weit könnte eine Umstellung auf DAB+ die bislang schleppende Einführung von Digital Radio in Deutschland beschleunigen?
Indem wir den bereits eingeführten Standard DAB verbessern, haben wir eine doppelte Chance: Die neuen Geräte sind abwärts kompatibel, was das Vertrauen in den Standard stärkt. DAB+ verdoppelt die Kapazitäten gegenüber DAB. Bis zu 14 Radioprogramme können auf einem Multiplex in DAB+ übertragen werden. Wenn vier, fünf oder gar sechs Multiplexe am Ort senden, sind bis zu 84 Radioprogramme mobil empfangbar. Selbst in gut versorgten UKW-Regionen sind es höchstens zwischen 12 und 14.
Laut einem Interview mit dem Meinungsbarometer rechnet Thomas Langheinrich, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK), mit dem DAB+-Start nicht vor 2009. Wann rechnen Sie mit einer Einführung von DAB+ und könnte der Freistaat hier eine Vorreiterrolle einnehmen?
Die Einschätzung von Herrn Langheinrich teile ich. Aber das sind nicht mal mehr eineinhalb Jahre. Gerade ausreichend Zeit, die neuen Geräte in den Markt und an den Nutzer zu bringen! Wir wollen in Bayern Motor dieser Entwicklung sein, daher auch die Initiative der „Münchner Erklärung“. Die Bedarfsträger in Bayern – der Bayerische Rundfunk, das Deutschlandradio und die Bayerische Landeszentrale für neue Medien – sind in den Startlöchern. Allein der Bayerische Rundfunk hat fünf ausschließlich digital verbreitete Programme.
Welche Chancen und Risiken birgt ein solcher Wechsel für die Programmveranstalter?
Das digitale Umfeld ist attraktiv durch die Möglichkeit neuer Programmangebote und Datendienste. Kritisch ist, wie die für die Refinanzierung durch Werbung notwendige Reichweite schnell hergestellt wird. Deshalb meine Initiative zur zweiten Stufe der Münchner Erklärung: Jetzt brauchen wir die Mithilfe der Geräteindustrie und des Handels. Sonstige Risiken sind dagegen der Gewinn der Zuhörer: Digitales Radio sorgt für mehr Angebote und damit für Konkurrenz.