Meinungsbarometer: Herr Sinner, Bayern gilt als Vorreiter und Zugpferd in Sachen Digitalisierung. Welchen Erfolg bringt das für Wirtschaft und Arbeit im Freistaat mit sich?
Eberhard Sinner: Die Digitalisierung ist Motor der medialen Entwicklung. Neue Inhalte- und Diensteangebote werden möglich und nachgefragt. Sie lassen Arbeitsplätze entstehen in Branchen, in denen Deutschland trotz hoher Löhne konkurrenzfähig ist. In Bayern haben wir die Digitalisierung deshalb schon früh unterstützt durch Gesetzgebung und Modellprojekte. So ist in Bayern ein Mediencluster entstanden, das auch für die künftige Entwicklung bedeutsam ist. Ein individualisiertes Angebot ist ein Wert an sich. Das ist wie der Vergleich zwischen Maßanzug und Ware von der Stange.
Nach dem Willen der Europäischen Kommission soll der Rundfunk bis 2012 europaweit digitalisiert sein. Dennoch haben sich die Ministerpräsidenten bislang auf keine gemeinsame Erklärung verständigt. Welche Position vertritt Bayern?
Ich hoffe, dass wir das Zeitziel 2012 unterbieten. Die Ministerpräsidenten haben an verschiedenen Stellen - auch im Gesetzestext - dokumentiert, dass Sie die Digitalisierung unterstützen. Es macht aber keinen Sinn, am Markt vorbei Endzeitpunkte festzulegen. So sind zum Beispiel die zirka 200 Millionen analogen UKW-Radios nicht von heute auf morgen ersetzbar. Der Umstieg muss verbraucherfreundlich sein.
Mittlerweile ist in einigen Bundesländern eine Fortsetzung von UKW über das Jahr 2015 hinaus im Gespräch. Wird das Radio in Deutschland vom Fortschritt abgekoppelt?
Ursache für die schleppende Umstellung ist das zu gute analoge Radio! Aber neben der Zufriedenheit der Zuhörer mit den bestehenden Angeboten war es die regionale Radiofrequenz-Konferenz in Genf, deren Ergebnisse wir abwarten mussten. 2006 war es soweit, nun beginnt die Umsetzung. Spätestens bis 2012 werden wir ein attraktives flächendeckendes Angebot digitalen Hörfunks haben. Dann kann auch die Umstellung von UKW auf Digitaltechnik beginnen.
Noch blockiert das Verteidigungsministerium einen besseren Empfang von Digital Radio, in dem es die notwendige Erhöhung der Sendeleistung verweigert. Wann wird es eine Lösung geben?
Tatsächlich können in Deutschland die DAB-Sender derzeit nicht überall mit der erforderlichen Leistung zur Versorgung der Zimmergeräte arbeiten. Wir werden jetzt sehr kurzfristig noch einmal Gespräche aufnehmen, um alle Möglichkeiten für eine uneingeschränkte Nutzung von DAB auch im Kanal 12 auszuloten.
Die Deutschen erfinden die DMB-Technologie, das Geschäft mit Handy-TV macht aber Südkorea. Machen die Deutschen etwas verkehrt?
Zunächst ist die DMB-Technologie ein gutes Zeichen für deutsche Erfinderkraft. Natürlich sollten die Früchte auch in Deutschland geerntet werden. Andererseits muss man auch sehen, wie intensiv der koreanische Staat in die Wirtschaft eingreift. Ähnliches Verhalten deutscher Regierungen wäre europarechtlich undenkbar. Als wirklich problematisch sehe ich dagegen die Scheu vor Neuerungen. Wir gehen oft nicht mutig genug an neue Situationen heran und laufen Gefahr, dadurch Chancen nicht zu nutzen.