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BVMI: Kreative und Verbraucher nicht gegeneinander ausspielen

Was die Musikindustrie von einem EU-Urheberrecht erwartet

Florian Drücke, Geschäftsführer Bundesverband Musikindustrie e. V. (BVMI) Quelle: Markus Nass Florian Drücke Geschäftsführer BVMI 24.11.2015
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Das Primat des Verbraucherschutzes ist bei der Diskussion um ein europäisches Urheberrecht fehl am Platz, findet Florian Drücke, Geschäftsführer Bundesverband Musikindustrie e. V. (BVMI). Natürlich sollten Inhalte dem Verbraucher bestmöglich zugänglich sein, das könne aber nicht zu Lasten der Kreativen und ihrer Partner gehen.







EU-Digitalkommissar Günther Oettinger hat in einem Interview angekündigt, das Urheberrecht in mehreren Paketen auf europäischer Ebene zu reformieren. Braucht es überhaupt einen europäischen Rahmen für das Urheberrecht?
Grundsätzlich gilt: Auch, wenn es eine gewisse Harmonisierung bereits gibt: Die EU hat derzeit 28 Mitgliedstaaten mit jeweils nationalem (Urheber)recht. Da diese Staaten einen gemeinsamen Wirtschaftsraum bilden, müssen die nötigen Voraussetzungen dafür bestehen, dass innerhalb dieses Wirtschaftsraums gehandelt werden kann. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist mit einem Umsatz von 536 Mrd. Euro und sieben Millionen Erwerbstätigen ein äußerst relevanter Wirtschaftsfaktor innerhalb der EU. Das Urheberrecht wiederum als das ökonomische Backbone der Kultur- und Kreativwirtschaft gehört zu eben solchen Handelsvoraussetzungen. Allerdings kann man z.B. mit Blick auf die Musikbranchen feststellen: Unternehmen wie etwa Spotify oder Deezer war es mit ihrem neuen Geschäftsmodell möglich, im bis dato bestehenden europäischen Rechtsraum zu wachsen – ohne ein vollständig vereinheitlichtes europäisches Urheberrecht. Die Diskussion über eine weitere Harmonisierung macht also sicher Sinn, jedoch muss man sich darüber im Klaren sein, dass es hier zum Teil erhebliche Unterschiede gibt – man denke nur an die sehr unterschiedlichen Ansätze des kontinentaleuropäischen, sehr urheberzentrierten Urheberrechts  und des anglo-amerikanischen Copyright.

Wenn es zu einer umfassenden Reform kommt, was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt beachtet werden?
Es bietet sich hier die große Chance, auf übergeordneter Ebene die Partizipation an der Wertschöpfung neu zu justieren. Bekanntlich werden durch die nunmehr fünfzehn Jahre alte E-Commerce Richtlinie, die die sogenannte „Safe Harbour“-Regelung enthält, nach wie vor auch zahlreiche Plattformbetreiber privilegiert, die ganz offensichtlich nicht nur als „Provider“ technischer Leistung agieren, sondern mit den Inhalten der Kreativen und ihrer Partner Geld verdienen, ohne diese jedoch angemessen am Erfolg zu beteiligen – unter Berufung auf eben die „Safe-Harbour“-Regelung. Dadurch entsteht eine Unwucht, eine unverhältnismäßige Verhandlungsmacht, die aus unserer Sicht dringend den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werden muss. Unabhängig davon darf die Diskussion über das europäische Urheberrecht nicht in allererster Linie unter dem Primat des Verbraucherschutzes stattfinden. Das würde substanziell in einen funktionierenden Markt eingreifen. Mit Blick zum Beispiel auf das viel diskutierte „Remixen“ bleibt fraglich, wie eingeschränkt solche Möglichkeiten tatsächlich sind. Bekanntlich haben die Tonträgerhersteller solche Formen der Nutzung (Stichwort hier z.B. „User Generated Content“) vielfach bereits lizenziert.

Nach Medienberichten solle es in einem ersten Paket noch in diesem Jahr u.a. um die grenzüberschreitende Nutzung digitaler Inhalte gehen. Welche Regeln würden Sie in diesem Bereich befürworten?
Für uns ist zentral, dass die Diskussion auf Basis von Informationen zu den ökonomischen Realitäten der Kultur- und Kreativwirtschaft und ihrer Teilbranchen geführt wird und diese Realitäten anschließend auch Berücksichtigung finden. Wichtig ist darüber hinaus, auch für die gesellschaftliche Akzeptanz, dass bei der Anpassung der rechtlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht die Seiten der Urheber, Rechteinhaber und Nutzer gegeneinander ausgespielt werden. Also: Natürlich sollen Inhalte dem Verbraucher bestmöglich zugänglich sein, das kann aber nicht zu Lasten der Kreativen und ihrer Partner gehen.
 
Für weitere Regelungen wird nach Oettinger Aussagen gerade das deutsche Leistungsschutzrecht beobachtet. Wie fällt Ihr Fazit nach zwei Jahren Leistungsschutzrecht aus?
Insgesamt hat die Diskussion um das Leistungsschutzrecht der Presseverleger in den vergangenen Jahren jedenfalls sehr stark dazu beigetragen, dass mittlerweile wieder sachlicher über die Wirkkräfte im digitalen Raum diskutiert wird. Aus unserer Sicht bleibt wichtig, dass Investoren in kreative Inhalte, seien es Firmen oder Einzelpersonen, am Markt die Möglichkeit haben, auf Basis von Lizenzen an der Wertschöpfung zu partizipieren.
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