Menue-Button
Interview

BDZV: Schwächung des Urheberrechts wird scheitern

Wie ein EU-Rechtsrahmen aus Sicht der Zeitungsverleger aussehen sollte

Carolin Wehrhahn, Leiterin Büro Brüssel, Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. Quelle: BDZV Carolin Wehrhahn Leiterin Büro Brüssel Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. 30.11.2015

"Als Minimum jeder europäischen Urheberrechtspolitik muss zumindest das jetzige Schutzniveau der EU-Urheberrechtsrichtlinie unverändert erhalten bleiben", fordert BDZV-Expertin Carolin Wehrhahn. Beim Leistungsschutzrecht sei der EU-Rahmen lückenhaft, diese Lücke müsse geschlossen werden.







EU-Digitalkommissar Günther Oettinger hat in einem Interview angekündigt, das Urheberrecht in mehreren Paketen auf europäischer Ebene zu reformieren. Braucht es überhaupt einen europäischen Rahmen für das Urheberrecht?
Die vielleicht größte Herausforderung im Zusammenhang mit dem EU-Rechtsrahmen zum Urheberrecht ist ein nachlassendes Bewusstsein von der Bedeutung des Urheberrechts für eine freie und demokratische Wissens- und Informationsgesellschaft. Nicht nur der Zugang zu digitalen Werken und deren Verbreitung ist leicht wie nie. Auch die Werkkopie, Veröffentlichung und Vermarktung durch Dritte ist durch die Digitalisierung sehr leicht geworden und gefährdet die für jede private Werkproduktion nötige Verfügungsfreiheit der Urheber und Verleger über die Vermarktung ihrer medialen geistigen Werke.

Ein europäisches Urheberrecht, das die Herausforderungen der digitalen Produktion und Verbreitung europäischer Werke durch die Erweiterung von Ausnahmen und einer damit einhergehenden weiteren Schwächung des Urheberrechts meistern will, wird scheitern. Jede weitere Verschiebung der urheberrechtlichen Verfügungsrechte über periodische Publikationen weg von den Urhebern und Verlegern hin zu Aggregatoren, Bibliotheken und sonstigen Verwertern und Nutzern wird die Vielfalt und die Qualität der Publikationen aufs Spiel setzen und einen der wesentlichen Faktoren beschädigen, die Europa in der Welt auszeichnen: eine inhaltlich und kulturell vielfältige private periodische Presse.
Tatsächlich besteht im Zuge der Digitalisierung der Bedarf an einem verbesserten Urheberrechtsschutz für den Erhalt und die Vielfalt der Kultur- und Medienlandschaft in Europa. Es ist daher zu begrüßen, dass Kommissar Günther Oettinger sich mehrfach für einen europäischen Schutz der Leistung und Rechte der Presseverleger im Zusammenhang mit der Urheberrechtsreform ausgesprochen hat.

Wenn es zu einer umfassenden Reform kommt, was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt beachtet werden?
Als Minimum jeder europäischen Urheberrechtspolitik muss zumindest das jetzige Schutzniveau der EU-Urheberrechtsrichtlinie unverändert erhalten bleiben. Die Richtlinie bietet einen hinreichenden Ausgleich zwischen den von den jeweiligen Schranken geschützten Interessen und den Interessen der Rechteinhaber und ermöglicht es den EU-Staaten, auf die unterschiedlichen traditionellen Kulturen ihrer Länder einzugehen.

Deutschland und Spanien haben mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger einen wichtigen und notwendigen Schritt getan, um den Schutz der Presseprodukte in der digitalen Welt zu verbessern. In dieser Hinsicht ist das EU-Urheberrecht lückenhaft, diese Lücke muss geschlossen werden. Bei einer Reform des europäischen Urheberrechts und gar der Erwägung weiterer Beschränkungen, wird eine Erweiterung der ausschließlichen Rechte von Sendeunternehmen, Tonträger- und Filmherstellern auf Hersteller von Presseprodukten unumgänglich.

Nach Medienberichten solle es in einem ersten Paket noch in diesem Jahr u.a. um die grenzüberschreitende Nutzung digitaler Inhalte gehen. Welche Regeln würden Sie in diesem Bereich befürworten?
Unterschiede zwischen den nationalen Urheberrechtsgesetzen haben das Entstehen eines Online-Marktes für die Presse nicht erschwert. Journalistische Inhalte europäischer Verlage sind europa- und weltweit ohne Zugangsbeschränkungen durch die Verlage abrufbar. Urheber und Verleger müssen weiter frei darüber entscheiden können, ob, wie und wofür sie ihre Rechte anderen zur Verwertung und Vermarktung zur Verfügung stellen. Ein Zwang zu europaweiter Rechteeinräumung oder zu anderen Beschränkungen der freien Entscheidung über die Reichweite eingeräumter Rechte würde die für jede Medienlandschaft notwendige Flexibilität beschädigen.

Für weitere Regelungen wird nach Oettinger Aussagen gerade das deutsche Leistungsschutzrecht beobachtet. Wie fällt Ihr Fazit nach zwei Jahren Leistungsschutzrecht aus?
Täglich entstehen in deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen tausende aufwendig produzierte Artikel, die im Internetzeitalter in Sekundenschnelle von Dritten ausschnittsweise oder komplett übernommen, verwertet und vermarktet werden können. Das Leistungsschutzrecht soll einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Presseverleger und den gewerblichen Nutzern sicherstellen. Suchmaschinen und News-Aggregatoren nutzen in gewerblicher Weise die von den Presseverlegern hergestellten Inhalte und erwirtschaften damit hohe Umsätze. Dass die Rechtsdurchsetzung von Leistungsschutzrechten – wie nun zu erwarten ist – durch Gerichte entschieden wird, ist die Regel.

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ DIESE FACHDEBATTEN KÖNNTEN SIE AUCH INTERESSIEREN

Uwe Rempe

INITIATOR
Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info

Dipl.- Journ. Thomas Barthel

INITIATOR
Dipl.- Journ. Thomas Barthel
Founder & Herausgeber
Meinungsbarometer.info

Simone Ulrich

INITIATORIN
Simone Ulrich
Freie Journalistin
Meinungsbarometer.info

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.