Algorithmen bestimmen zunehmend den digitalen Alltag, etwa bei der Online-Suche oder bei digitaler Werbung. Erleichtern die Algorithmen damit unser Leben, oder schränken sie unseren Horizont ein?
Vermutlich haben die meisten Menschen nichts gegen passgenaue Werbung. Wenn ich Hundebesitzer bin, brauche ich keine Werbung für Fischfutter. Und bei der Online-Suche kann es helfen, wenn die Software weiß, ob ich, wenn ich „Golf“ eintippe, das Auto oder den Sport meine. Bei politischen oder kulturellen Inhalten kann eine Vorauswahl per Algorithmus schon problematischer sein, weil die Gefahr der berühmten „filter bubble“ besteht. Vielleicht wäre es aber auch anders: Warum könnte ein intelligenter Algorithmus nicht mein Bedürfnis nach Neuem berücksichtigen und immer mal wieder meine Reaktion auf Unbekanntes antesten? Fest steht jedenfalls: Wir sind beim Einsatz von Algorithmen erst ganz am Anfang. Vieles ist noch gar nicht absehbar. Die digitale Transformation wird auf lange Sicht vermutlich zu einer weitgehend automatisierten Steuerung der Gesellschaft und damit auch des einzelnen Menschen führen. Damit die Selbstbestimmtheit des Menschen dabei im Kern erhalten bleibt, werden wir für diese Datenwelt einige Leitplanken aufstellen müssen.
Algorithmen werden auch bei wichtigen Entscheidungen eingesetzt, etwa bei Stellenausschreibungen oder Kreditvergaben. Wie lassen sich Diskriminierungen verhindern?
Das ist eine der Leitplanken und natürlich auch ein Zielkonflikt: Ein Algorithmus versucht, anhand vieler Daten eine optimale Entscheidung zu treffen. Wenn Sie nun die Nutzung bestimmter Informationen verbieten, kann der Algorithmus im Zweifel nicht sein volles Potential entfalten.
Klar ist aber auch: Wenn Entscheidungen nicht mehr von Menschen, sondern von Algorithmen getroffen werden, müssen sich Algorithmen an dieselben Regeln halten. Wenn ich also in der analogen Welt nicht jemanden aufgrund Geschlecht, Herkunft oder sexueller Identität benachteiligen darf, dann muss dasselbe auch im Digitalen gelten. So viel zur Theorie. Die spannendere Frage aber ist vielleicht: Wie kann das praktisch umgesetzt werden? Brauchen wir einen Algorithmus-TÜV, der die Codes vorher überprüft und dann erst freigibt? Sollte ein deutscher Amtsrichter in Zukunft Algorithmen globaler Tech-Giganten überprüfen und für rechtswidrig erklären können? Wie soll das alles funktionieren, wenn Algorithmen sich selbst und ständig weiterentwickeln und der ursprüngliche Entwickler unter Umständen gar nicht mehr erkennen kann, welche Parameter weshalb in die Entscheidungsfindung des Algorithmus einfließen? Ich sage nicht, dass das unmöglich ist. Aber hier ist Vieles komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.
Experten fordern einen eigenen Rechtsrahmen für den Einsatz von Algorithmen. Welche Regulierungen halten Sie für sinnvoll?
Wie soll ein solches „Algorithmus-Gesetz“ denn aussehen? Vieles ist doch schon geregelt. Zum Beispiel gibt das Datenschutzrecht vor, welche Daten der Algorithmus zu welchen Zwecken nutzen darf. Auch zum Profiling, d.h. zum Datensammeln zwecks automatisierter Entscheidungen, gibt es Vorgaben in der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung. Wichtig ist zunächst einmal, dass Datenverarbeitungsprozesse transparent sind und Bürger zumindest die groben Entscheidungslogiken der Algorithmen kennen. Wahrscheinlich ist eine Art „Code-Kodex“, ein ethischer Leitfaden für Programmierer ähnlich dem hippokratischen Eid, erstmal der bessere Weg als ein „Algorithmus-Gesetz“.
Algorithmen „lernen“ durch die Menge der Daten, die sie bekommen. Wie kann der betroffene Bürger Herr über seine Daten bleiben oder wieder werden?
Indem er die Rechte ausübt, die ihm zustehen. Wenn der Bürger den Eindruck hat, dass ein Algorithmus bzw. ein Unternehmen unzulässig Daten von ihm verwendet, kann er Auskunft darüber verlangen, welche Daten über ihn gespeichert sind und genutzt werden. Er kann auch die Löschung der Daten verlangen, wenn das Unternehmen keinen legitimen Grund zur Datenverarbeitung vorweisen kann. Und wenn er alleine nicht weiter kommt, kann er sich an seine Datenschutz-Aufsichtsbehörde wenden, die es in jedem Bundesland gibt.