Im Januar soll das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) in Kraft treten. Zentraler Punkt sind u.a. die Apps auf Rezept. Inwieweit betrifft das Gesetz auch Ihre App-Entwicklungen?
Grundsätzlich scheint unsere von Bauerfeind angebotene Therapie App die Zielerwartungen des gesetzlichen Vorhabens zu erfüllen. Es ist bereits als Medizinprodukt eingestuft und bietet therapiebegleitende Übungsangebote, die der Verwender auf seinen Bedarf zuschneiden kann. Sicherlich wären Anpassungen notwendig, die aber noch nicht genau absehbar sind, da der Gesetzgebungsprozess nicht abgeschlossen ist. Je nachdem, wie das Gesetz in seiner finalen Fassung vorliegen wird könnten wir uns entscheiden, ob wir unsere App auch als Weiterentwicklung und als entsprechende Gesundheits-App anbieten wollen. Dazu haben wir aber noch keine Entscheidung getroffen.
Welche medizinischen Apps bieten Sie bereits heute an?
Wir bieten seit gut einem Jahr eine Therapie-App an in der Trainingsangebote für Rücken und Knie erfasst sind. Es ist eine Therapie-App, die auf verschiedene Indikationsfelder abzielt und zahlreichen Übungen mit unterschiedlicher Intensität und Frequenz anbietet. Unsere App wird kontinuierlich weiterentwickelt – sowohl mit immer neuen Übungsinhalten als auch mit neuen Indikationsbereichen. Bei der Betrachtung des gesamten Themas „Gesundheit und Apps“ sind mir zwei Aspekte sehr wichtig: Apps sind 24 Stunden des Tages verfügbar und ihr Einsatz ist nicht an einen bestimmten Ort gebunden. Wenn ich eine App mit physiotherapeutischen Übungsanleitungen nutze, kann ich im Alltag jederzeit und an jedem Ort auf diese Übungsinformationen, die bei uns stets von Videos unterstützt werden, zugreifen. Damit ist es möglich, die Leistungen eines Physiotherapeuten oder die Informationen eines Arztes zu ergänzen und den Erfolg zu intensivieren.
Bauerfeind bietet ja mit seinen Orthesen und Bandagen genannte Medizinprodukte an, welche sich von Lifestyleprodukten abgrenzen –wo verläuft hier die Grenze?
Unsere Bandagen und Orthesen sind Medizinprodukte. Medizinprodukte zeichnen sich durch eine eindeutige und z.B. durch Studien belegte medizinische Zweckbestimmung aus. Sie werden also z.B. eingesetzt, um eine bestimmte Verletzung zu behandeln oder eine körperliche Einschränkung auszugleichen. Bei Produkten, die diese Zweckbestimmung nicht haben, das sind also Fitness- und Wohlfühlprodukte oder auch reine Sportprodukte, ist diese Zweckbestimmung nicht gegeben. Diese Produkte dürfen diese Zweckbestimmung auch nicht für sich in Anspruch nehmen und behaupten.
Für Apps auf Rezept müssen Patienten mit digitalen Devices ausgestattet sein – was sagen Ihre Erfahrungen, wie gut sind die Patienten derzeit damit schon ausgestattet und wie gehen sie mit Apps auf dem Smartphone bereits um?
Die Durchdringung von Smartphones und Pads ist auf dem deutschen Markt riesig. Daher lautet für mich eher die Frage, wie diese Devices und die Apps genutzt werden. Wir beobachten, dass die Akzeptanz von elektronischen Trainingsangebote zunehmend steigt. Und egal, ob die Personen im Arbeitsleben stehen oder schon im Ruhestand sind, ist die aktive Nutzung Marktdurchdringung von digitalen Devices ein gesamtgesellschaftlicher Trend, der Akzeptanz und Nutzung dieser Angebote weiter steigen lässt.
Das Feedback, welches wir bekommen, ist durchweg positiv. Die Nutzung der Übungen wird von uns vorrangig als Ergänzung zu anderen therapeutischen Maßnahmen gesehen. Aus unserer Sicht sollen Apps nicht den Rat und die Begleitung durch Fachleute ersetzen sondern die Möglichkeit eröffnen, selbständig und unabhängig die notwendigen Übungen zusätzlich durchzuführen. Wir sehen das Produkt immer im Zusammenhang mit unseren Bandagen oder Orthesen für den Patienten. Die Übungen sind nicht nur nach einer akuten Verletzung interessant sondern helfen dauerhaft.
Kritiker warnen im Zuge der Debatten, dass Patientendaten nicht ausreichend vor Hackerangriffen geschützt sein könnten. Wie gut sind Ihre Entwicklungen hier geschützt?
Zum Datenschutz: Unsere App ist so konzipiert, dass wir keine personenbezogenen Informationen von den Verwendern haben. Ganz deutlich gesagt, wir erhalten keine Information über den etwaigen gesundheitlichen Zustand des Verwenders. Wir wissen nur, dass jemand diese App heruntergeladen hat, wir wissen aber nicht, ob diese App von den einzelnen Personen tatsächlich genutzt wird. Mehr wissen wir nicht. Alles was datenschutzrechtlich sensibel ist, findet ausschließlich auf dem Smartphone des Nutzers statt. Wir gewinnen auch kein Profil der einzelnen Verwender.
Für uns ist aber ein Aspekt besonders wichtig. Gerade im Hinblick auf die Gesundheits-Apps und das DVG sollte sichergestellt sein, dass z.B. die Leistungen eines Physiotherapeuten nicht durch eine App gänzlich ersetzt werden. Soweit die Apps eine anerkannte unterstützende Funktion haben, ist meiner Ansicht nach alles gut. Sollte ihnen jedoch eine substituierende Funktion zugewiesen werden, entsteht das Risiko, dass Patienten irgendwann eine App-Verordnung erhalten und alleine auf sich gestellt und physiotherapeutische Übungen umsetzen sollen. Es sollte bei der gesamten Debatte bedacht werden, dass durch die neuen technischen Optionen nicht die bewährten Angebote und Ergebniskontrollen ersetzt werden. Es sollte bei den Apps eher darum gehen, dass eine neue Leistung in das System aufgenommen wird, die ergänzend zum Einsatz kommt und wirkt und ein verbessertes Versorgungs-Ergebnis für die Patienten ermöglicht.