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Interview

Angriff der globalen Streaminganbieter

Wie sich die ARD gegen Netflix & Co. behaupten will

ARD Sprecherin Ilka Steinhausen Quelle: NDR Alexander Hiller Redakteur Meinungsbarometer.info 19.05.2015

Lange hatten ARD, ZDF und deren private Wettbewerber die alleinige TV-Hoheit in Deutschlands Wohnzimmern. Nun haben mit Netflix & Co. globale Player den Angriff auf den deutschen TV-Markt gestartet. Wie können sich die etablierten Anbieter behaupten? Die ARD bringt die an rechtlichen Bedenken gescheiterte Plattform „Germany’s Gold" wieder ins Gespräch.







Der Streamingdienstleister Netflix hat mittlerweile 62 Millionen Abonnenten weltweit. Macht Ihnen die wachsende Marktmacht der Streamingdienstleister Angst?

Nein, wir beobachten die Entwicklung selbstbewusst. Wie erfolgreich Netflix in Deutschland wirklich ist wird sich erst zeigen. Bisher hat das Unternehmen noch keine Zahlen für den deutschen Markt vorgelegt. Netflix ist ja nicht das erste Online-Videoportal in Deutschland. Wir haben noch dazu eine große Vielfalt frei empfangbarer Fernseh-Sender – fast mehr als in jedem anderen Land und wir haben eine große Vielfalt ähnlicher Angebote wie die, die Netflix unterbreitet. Die ARD-Programme sind zudem deutlich informationsgeprägt, und werden deshalb weniger vom Netflix-Angebot betroffen sein als unterhaltungsorientierte Programme, die viele amerikanische Filme und vor allem Serien zeigen. Wenn wir in Zukunft unsere Qualität halten oder verbessern, werden wir stark bleiben

Mit welchen inhaltlichen und technischen Konzepten wollen Sie sich gegen die neuen Mitbewerber behaupten? Werden nur die TV-Anstalten, die sich anpassen, überleben? 

Hier muss man die inhaltliche und technische Dimension unterscheiden. Netflix beispielsweise konzentriert sich inhaltlich auf Serien und Filme, vor allem aus dem TV-Bereich, während ein öffentlich-rechtliches Angebot die gesamte Bandbreite von aktuellen Nachrichten, Dokumentation, Sport, Kultur, Unterhaltung und auch Fiktion abdeckt. Das Angebot von Netflix bietet vor allem US-amerikanischen Content, Serien und Spielfilme, den sich öffentlich-rechtliche Sender aufgrund der seit Jahren steigenden Preise für US-Content sowieso kaum mehr leisten wollen. 100 Millionen Dollar sollen die ersten beiden Staffeln von „House of Cards“ gekostet haben, davon könnte die ARD ungefähr 60 Tatorte produzieren.

Wir konzentrieren uns entsprechend unseres Auftrags und auch des Wunsches unserer Nutzer auf Inhalte, die die nationale und regionale Identität in Deutschland und Europa widerspiegeln. Dies sind gerade die Inhalte, die Netflix fehlen. Auch wenn Netflix bei Eigenproduktionen mit regionalen Einschlägen spielt, behält Netflix dabei immer das globale Publikum im Auge.

Wir möchten unsere Inhalte auf allen Übertragungswegen und auf allen Endgeräten problemlos abrufbar machen. Unsere eigenen Plattformen werden wir überarbeiten, zum Beispiel durch bessere Bedienbarkeit und die Einführung der Personalisierung. Am Ende werden wir mit unseren Inhalten punkten müssen und setzen darauf, dass wir von Wettbewerbern auf deren Plattformen nicht diskriminiert werden.

Warum spielen Sie den Vorteil des eigenen Contents nicht stärker gegen die Streaminganbieter aus?

Die ARD bietet den Nutzern in ihren Mediatheken die eigenen Inhalte frei zugänglich an. Diesen Angeboten sind aber medien- wie urheberrechtliche Grenzen gesetzt. Beispielsweise steht die Verweildauer im Weg, wenn es darum geht, eine ganze Staffel einer Serie komplett online zu stellen, weil dies die bevorzugte Nutzung auf den Portalen ist. wir wünschen uns, dass dies überprüft wird.

Was ein Geschäftsmodell betrifft: Ein Versuch der Verwertungstöchter von ARD und ZDF öffentlich-rechtliche und andere deutschsprachige Angebote nach Ablauf der Verweildauern über eine eigene Plattform „Germany’s Gold“ den Nutzern als VoD-Angebot anzubieten, ist leider am deutschen Wettbewerbsrecht gescheitert. Angesichts der globalen Konkurrenz wirken diese deutschen Regeln für öffentlich-rechtliche und private Sender überholt. Statt Germany`s Gold gibt es nun Netflix. Ob das für den Wettbewerb besser ist, sei dahingestellt.

Welche Auswirkungen hätte ein wachsendes Geschäft im Bereich des non-linearen Fernsehens für Ihre Produktionsfirmen?

Hier muss man zwischen sendungsnahem Catch-Up und einer unbeschränkten Archivfunktion unterscheiden. Wichtig ist, dass für eine angemessene Zeit nach und ggf. auch vor der linearen Ausstrahlung im Prinzip alle unsere Inhalte auch auf Abruf frei und unverschlüsselt in unseren Mediatheken abrufbar sind. Das entspricht den modernen Mediennutzungs- und Lebensgewohnheiten sowie den Erwartungen der Beitragszahler. Wir werden uns die Rechte für eine unbeschränkte Abrufbarkeit zumindest im Bereich der Serien und Filme aller Voraussicht nach nicht leisten können. Hier müssen wir zu fairen Regelungen mit den Produzenten kommen. Wie der Verkauf von DVD`s ist die Abrufbarkeit öffentlich-rechtlicher Inhalte über Streamingsplattformen Dritter nach Ablauf der freien Verweildauern in den eigenen Mediatheken ein gangbarer Weg, um die Inhalte weiter zugänglich zu halten.

Wird in 10 Jahren das klassische Fernsehen noch Ihr Hauptgeschäft sein oder haben Sie dann schon flächendeckend auf non-lineares und streamingbasiertes Fernsehen umgestellt?

Wer behauptet, zu wissen, wie das Fernsehen in zehn Jahren aussieht muss über hellseherische Fähigkeiten verfügen. Das lineare Fernsehen ist von Einigen schon vor zehn Jahren totgesagt worden. Das Gegenteil ist der Fall, es ist so lebendig wie eh und je. Die Sehdauer ist in den vergangenen 15 Jahren sogar leicht gestiegen. Sicher ist, dass guter Journalismus der Kern unserer Aufgabe bleibt. Gerade in der wachsenden Vielfalt der Medienwelt sind verlässliche, öffentlich-rechtliche Angebote unerlässlich, die frei von kommerziellen Interessen erstellt werden. Vor allem bei aktuellen Ereignissen, der Live-Berichterstattung aber auch bei sozialen Gemeinschaftserlebnissen wie der gemeinsame Tatort-Sonntag oder eine Fußball-WM wird die Linearität noch langfristig ihre Bedeutung behalten. Streamingdienste tangieren momentan eher Videotheken, Kinos und dem DVD-Verkauf.

 

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