Herr Raff, wie wird es aus Ihrer Sicht mit dem Hörfunk in Deutschland weitergehen, nachdem die KEF das Aus für DAB besiegelt hat?
Fritz Raff: Die Ablehnung des für die Weiterentwicklung von DAB beantragten Finanzbedarfs durch die KEF birgt nach übereinstimmender Einschätzung der Landesrundfunkanstalten und des Deutschlandradios erhebliches Gefährdungspotenzial für die Zukunft des digitalen terrestrischen Rundfunks an sich. Da die Häuser keine Spielräume sehen, die fehlenden DAB-Mittel durch Umschichtungen in ihren Etats zu alimentieren, ist bereits eine Fortführung des derzeitigen Angebots bis zum Ende der laufenden Gebührenperiode ernsthaft in Frage gestellt. Dieser Umstand ist der Politik deutlich zu kommunizieren. Ziel ist es, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, zeitnah mit der KEF ein Finanzierungskonzept zu entwickeln, das eine Einstellung der DAB-Angebote und den damit einhergehenden Verlust von Investitionen in Sendernetze, die mit Zustimmung von Medienpolitik und KEF erfolgten, und entsprechender terrestrischer Frequenzkapazitäten für den Rundfunk vermeidet.
Die Entscheidung der KEF war lange vor der Veröffentlichung des Berichtes absehbar. Warum ist es dennoch nicht gelungen, mit allen Beteiligten eine einvernehmliche Lösung für den Hörfunk zu finden?
Für mich war es unverständlich, warum die kommerziellen Programmanbieter erst zum Jahresende begriffen haben, dass sie in Sachen DAB dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Seite stehen müssen. Trotzdem, die Hemmnisse, die bisher einer weiten Verbreitung der DAB-Technologie entgegenstanden, könnten in absehbarer Zeit überwunden werden. Mit dem erfolgreichen Abschluss der Internationalen Funkverwaltungskonferenz in Genf 2006 stehen für den digitalen terrestrischen Hörfunk erheblicheweitere Frequenzen zur Verfügung. Zusätzlich erlauben moderne Codierverfahren die noch effizientere Nutzung dieser Frequenzen. Damit wird der programmliche Nutzen für die Hörer mit mehr und regional differenzierten Programmen sowie multimedialen Zusatzangeboten eine völlig neue Qualität erhalten. Hinzu kommt, dass die bisherigen Beschränkungen der Sendeleistungen, die einen Empfang in Gebäuden bisher deutlich beeinträchtigten, nun entfallen. Vor diesem Hintergrund wurde ein nationaler Konsens zur Weiterentwicklung dieses eigenständigen terrestrischen Verbreitungsweges für den Hörfunk zwischen den Landesmedienanstalten, den Endgeräte- und Automobilherstellern, den öffentlich-rechtlichen Programmanbietern sowie dem privaten Rundfunk erzielt. Daher bestanden für die ARD gute Gründe, von einem erfolgreichen Neustart auszugehen und darauf zu bauen, dass es gemeinsam mit der Medienpolitik und den Partnern im nationalen Konsens gelingt, die KEF von diesen Fortschritten zu überzeugen.
Die KEF hat in ihrem Bericht auch DAB+, der Weiterentwicklung für von DAB, eine Absage erteilt. Für wie realistisch halten Sie unter diesen Vorzeichen einen Neustart für Digital Radio im Jahr 2009?
Die existierende Sendernetzinfrastruktur ist technologieneutral, das heißt, man kann darauf Programme und Dienste in DAB, DAB+ und/oder DMB verbreiten, und zwar in einem Multiplex gemischt. Deswegen ist es umso unverständlicher, warum man nicht unserem Ansatz gefolgt ist, diese vorhandene Sendernetzinfrastruktur für das Medium Radio flexibel nutzen zu wollen. Diesen Vorteil haben auch die privaten Programmanbieter verstanden sowie die Bundesnetzagentur und die Länder. Leider tut sich die KEF mit dieser Vorstellung sehr schwer.
Ihr Vorgänger, BR-Intendant Gruber, sprach einst von einer Lokomotivfunktion der ARD bei der Digitalisierung des Hörfunks. Wird die ARD diese Rolle auch künftig übernehmen?
Es sind nicht nur alle privaten und öffentlichrechtlichen Programmanbieter gefordert, die Dramatik und die Konsequenzen der DABEntscheidung zu kommunizieren, sondern auch die Politik, die diese Entwicklung des digitalen Radios insgesamt mitgetragen hat. Der Privatfunk müsste in jedem Fall die Verbreitung der Programme finanzieren, zudem müssen neue Programme angeboten werden und es muss auch gewährleistet sein, dass nicht nur Radio übertragen wird, sondern sämtliche Funktionalitäten des Radios. Den Einstieg hierfür nur mit Werbung zu finanzieren halte ich für ausgeschlossen.