Im Rahmen des Kongresses „Radio Plus“ hat der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust angekündigt, dass die ARD einen neuen Projektantrag zu Digital Radio bei der KEF einreichen wird. Allerdings werde der Neuantrag deutlich bescheidener ausfallen. „Wir werden Digital Radio nicht bis ins letzte Seitental bringen“, sagte Boudgoust.
Neben diesem richtungweisenden Statement zeigte der Kongress deutlich, wie weit die Ansichten von Programmveranstaltern, Distributoren und Vermarktern zum Radio von morgen auseinandergehen. Dabei ließ sich zur zukünftigen Vermarktung und Werbung noch weitgehende Einigkeit herstellen. Esther Raff/AS&S und Frank Nolte/RMS stimmten überein, dass Themen verstärkt crossmedial beworben würden. In der Masse sei der Radionutzer unzugänglich, bei filigraner personalisierter Ansprache wären aber selbst kostenpflichtige Spezialinhalte platzierbar.
Zu den Programminhalten der Zukunft unterschieden sich die Vorstellungen hingegen deutlich. So meinte Alexander Heine von Hit-Radio Antenne 1, Radio sollte nicht versuchen eine „Killerapplikation“ zu sein. Sondern es müsse weiter das anbieten, wofür es bekannt ist: Musik, regionale Nachrichten und Verkehrsinformationen. Dagegen plädierte Edgar Heinz vom SWR 3 für eine inhaltliche Profilierung von Radiomarken. So könne er sich mehr Spartenradios – beispielsweise je nach Musikrichtung – gut vorstellen. Auch zu den Distributionswegen im zukünftigen Radio wurden konträre Meinungen geäußert. Florian Fritsche/Regiocast mutmaßte, in 20 Jahren sei Internetradio der Standard und die digitale Terrestrik nicht mehr zeitgemäß. Demgegenüber forderte Joachim Knuth vom NDR, Radio müsse in urbanen Ballungsräumen per Internet und zur Flächenversorgung per digital-terrestrischem DAB+ verbreitet werden. Dass dieser hybride Ansatz der richtige sei, befand auch SWR-Intendant Peter Boudgoust: „Der badenwürttembergische Modellversuch beschreibt die Straße, die es zu gehen gilt.“
Dass noch immer nur diskutiert werde, kritisierte Ralf Reynolds vom Gerätehersteller Pure Digital. Er rief dazu auf, wie in Großbritannien und Frankreich eine Roadmap zu erstellen und diese auch einzuhalten. Angesichts des britischen Beispiels warnte Steffen Müller, Geschäftsführer der MOIRA Rundfunk GmbH allerdings vor einem unwirtschaftlich schnellen Start von DAB+: „Dort ist der private Rundfunk an der Digitalisierung verblutet und hat die BBC eine absolute Marktdominanz entwickelt.“ In Deutschland brauche es noch Zeit, bis gewachsenes Marktpotenzial einen Einstieg in DAB+ refinanzieren würde, so Müller.
Zur Finanzierung des digital-terrestrischen Rundfunks appellierte LFK-Präsident Thomas Langheinrich auch an den designierten Sendernetzbetreiber Media Broadcast – trotz negativer Erfahrung mit mobilem Handy-TV in Österreich – mit ins Risiko zu gehen. Der Idee, den Start von DAB+ übergangsweise komplett aus öffentlich-rechtlichen Geldern zu bestreiten, erteilte Peter Boudgoust dagegen eine Absage. Die KEF erlaube keine Projektfinanzierung für Dritte.
Mit Blick auf den ausstehenden Neuantrag der ARD bei der KEF schätzte Deutschlandradio-Intendant Willi Steul ein, der Ball liege auf dem Elfmeterpunkt. Nach dem neuerlichen Antrag müssten KEF und Landesmedienanstalten schießen. Für den Fall, dass die im VPRT organisierten Veranstalter bei ihrer Ablehnung von DAB+ blieben, wurde diskutiert, ob dann die ARD alle bundesweiten Frequenzen belegen werde. Peter Boudgoust bezeichnete dies als Notfallszenario. Allerdings schloss er aus, DAB+ gegen den Widerstand des privaten Rundfunks einzuführen.