Wir schreiben das Jahr 2020. Nachdem dreidimensionale Bilder ihren Siegeszug in Computerspielen und auf Websites begannen, sind kürzlich die letzten Internet-Fernsehsender komplett auf autostereoskopische 3D-Technik umgestellt worden. Das heißt, Fernsehsendungen sind jetzt ohne störende Brille dreidimensional zu erleben. Somit können die Zuschauer im Web-TV zwischen mehreren HD-Formaten wählen, um sich die plastischen Bilder ins Wohnzimmer zu holen. Vorbei sind endlich die Zeiten, in denen sich wenige Enthusiasten, mit klobigen 3D-Brillen ausgerüstet, um die ideale Sehposition vor dem Bildschirm streiten mussten. Heute bietet jeder Kindergarten seinen Schützlingen dreidimensionales Full HD-Erlebnis.
Um dieses Zukunfts-Szenario bald Wirklichkeit werden zu lassen, entwickeln Forscher in Aachen derzeit die notwendigen Produktions- und Distributionstechniken für die 3D-Präsentation ohne Brille, das autostereoskopische Verfahren. Dabei sei das Darstellungs- und Verbreitungsproblem heute bereits gelöst, erklärt Prof. Dr. Jürgen Lohr von der dortigen Fachhochschule.
Die Aufzeichnung aller drei Dimensionen wird durch ein Real-Bild-Kamerasystem ermöglicht. Das bedeutet, mehrere Kameras erfassen räumliche Objekte aus leicht gegeneinander verschobenem Aufnahmewinkel. Gleichzeitig können so mehrere parallele Videostreams aufgezeichnet und übertragen werden. Um die 3D-Bilder ohne Brille erleben zu können, müssen Zuschauer allerdings spezielle Monitore kaufen. Diese sollten bestenfalls gleich Full-HD-Qualität ermöglichen, rät Jürgen Lohr. Er rechnet allerdings damit, dass diese Endgeräte erst in einem Jahr in akzeptabler Stückzahl im Markt sein werden.
Dennoch lassen sich schon jetzt tragfähige Geschäftsmodelle für Internetfernsehen ohne Brille entwickeln, ist der Forscher überzeugt: „Die Infrastrukturkosten für 3D-Web-TV belaufen sich – durch Integration bestehender Redaktions- und Content-Management-Systeme sowie Streaming-Server – anbieterseitig auf etwa 15.000 Euro.“ Mit dieser überschaubaren Investition seien sogar unmittelbare Übertragungen als 3D-Livestream möglich, und das in Full-HD-Auflösung. Damit sieht Jürgen Lohr „rosige Zeiten“ für 3D-Fernsehwerbung im Internet voraus. So hätten neue Dienstleister die Möglichkeit, zuerst Business-Lösungen anzubieten und später den Endverbraucher-Markt zu erschließen. Dazu müssten sie nur noch die nötigen dreidimensionalen Fernsehsendungen produzieren.
Dass Microsoft und Apple derzeit 3D-Betriebssysteme entwickeln, ergänze sich mit seinen Bemühungen um 3D-Web-TV, schätzt Lohr ein: „In zehn Jahren wird es Websites wohl nur noch komplett in 3D geben. Spätestens dann werden auch die letzten Fernsehsender auf das natürliche Sehen umstellen.“
Eine große private Mediengruppe ist jedenfalls schon auf das dreidimensionale Fernsehen aufmerksam geworden. Jasmin Mittenzwei, Referentin Unternehmenskommunikation der ProSiebenSat.1 Media AG resümiert: „Das Thema 3D entwickelt zur Zeit eine sehr interessante Dynamik. Wir beobachten deshalb die weitere Entwicklung mit großem Interesse.“